900 Großmütter Band 2
hatte, daß es vielleicht ’n bißchen stört, wenn ich im Unterhemd bin, und ich mir dann ein Hemd anzog. Und diese wunderbare Maschinka blitzte nur so – wie alles, was aus Wotto-Metall ist.
Kleine Kinder schmissen ihm ihr Bonbonpapier hin, und es verschwand mitten aus der Luft. »Filz mich«, sagten sie, und alles verschwand aus ihren Taschen, was nichts taugte. Ein Mann hielt eine vollgestopfte Aktentasche hoch, und im Handumdrehen war sie beinahe leer. Ein paar Leute wurden wütend, als ihre Kinn- und Schnurrbarte verschwanden; aber wir machten ihnen klar, daß dieses Gestrüpp völlig bedeutungslos für sie wäre – wenn sie mit diesem Zeug im Gesicht besser ausgesehen hätten, dann hätte die Maschine es bestimmt drangelassen. Anderen Leuten, die ihre Bürsten im Gesicht behielten, machten wir klar: was sie auch immer dahinter hätten, es bliebe besser im Verborgenen.
»Kann ich einen ins Haus geliefert bekommen, und wann?« fragt eine Dame.
»Morgen, für vierneunfünfundneunzig inklusive Montage«, sag ich zu ihr. »Er macht alles weg, was nichts taugt. Er holt alle alten Liebesbriefe aus Ih rem Schreibtisch und läßt nur die drin, wo der Kna be es ehrlich meint. Er wird Sie von dreißig Pfund an den strategisch wichtigen Stellen befreien, und das, liebe Dame, ist schon allein das Geld wert. Er holt alle alten Knöpfe aus Ihrem Nähkasten, die nicht mehr zu den anderen passen; er vernichtet Blumen- oder Gemüsesamen, der nicht aufgeht. Er wird alles vernichten, was nichts taugt.«
»Er kann moralische und ethische Urteile fäl len«, sagt Maurice zu den Leuten; »er kann Kategorien aufstellen und durchsetzen.«
»Maurice und ich sind Partner«, erzähl ich allen Leuten. »Wir sehen egal aus, wir denken egal, und wir reden sogar einer wie der andere.«
»Der einzige Unterschied: er redet hieratisch und ich demotisch«, sagt Maurice. »Das ist der einzige Nullifikator der Welt, der vollgültige philosophische Thesen aufstellen kann. Sein Urteil über das, was nützlich ist und was nicht, ist unfehlbar. Und er arbeitet vollkommen sauber und ohne jeden Abfall.«
Mann, die Leute kamen geströmt, den ganzen Vormittag lang! Gegen Mittag wurde es ein bißchen ruhiger.
»Ich möchte mal wissen, wie viele heute vormittag in unserem Stand waren?« staunt Maurice. »Ich schätze – zehntausend.«
»Ich brauch sie nicht zu schätzen«, sage ich. »Neuntausenddreihundertachtunfuffzich sind reingekommen, Maurice«, erklär’ ich ihm, denn der automatische Zähler in meinem Kopf läuft immer, »und neuntausendzweihundertsiemunneunzich sin’ wieder raus«, sage ich, »und vierunvürzich sin’ jetzt noch drin.«
Maurice lächelt. »Da ist ein Fehler«, sagt er, »das geht nicht auf.«
Und da gingen mir hinten im Nacken die Haare hoch. Ich mach keine Fehler, wenn ich rechne, und jetzt seh ich, daß Schweinebauch Liebling auch kei ne macht. Na schön – es ist zu spät, jetzt noch einen zu machen, wenn man nicht drauf trainiert ist, aber es ist vielleicht noch nicht zu spät, dem Donnerwetter aus dem Wege zu gehen, ehe es wirklich losschlägt.
»Mach ne Fliege!« flüstere ich Maurice zu, »kratz die Kurve, hau Funken aus ’m Pflaster!«
»Je ne comprends pas«, sagt Maurice, und das heißt: Los, Jungs, abhauen! auf Französisch; und da weiß ich, daß mein Partner mich verstanden hat.
Ich bin mit Tempo hundert aus der Halle raus, und Maurice rennt so leichtfüßig an meiner Seite, daß ich ihn überhaupt nicht höre. Ein Lufttaxi hebt grade ab.
»Spring, Maurice!« brüll ich. Ich spring selber, und ich hab meine Finger an der hinteren Schiene und zappel in der Luft. Ich seh mich um, ob Maurice es geschafft hat. Geschafft? Er ist gar nicht mit rausgekommen. Ich schau zurück, und durch ein Fenster seh ich, wie er schon wieder am Quasseln ist.
Also, das ist ein schönes Durcheinander! Mein Partner, der mir so gleicht wie zwei Köpfe in einem Hut, der hat mich nicht verstanden!
Im Flughafen erwisch ich grade noch einen Luftfrachter nach Mexiko.
Koffer packen brauch’ ich niemals. Ich sag immer, ’n Mann, der nich’ jederzeit soviel von diesem krumpligen grünen Papierzeug in der Hose hat, daß er zwei Jahre davon leben kann, so ’n Mann is’ nich’ in der Verfassung, daß er dem Schicksal ins Auge sehen kann. Dreißig Minuten später sitz ich in ’nem Hotel in Cueva Peoquita, und alles, was Spaß macht, ist dicht bei der Hand. Dann knips ich meine Voxo an und hör, was Maurice sendet.
»Warum
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