~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
Pilgertradition ist. Ein wenig meines Gedankengewichts ist schon verschwunden. Meine Sorgen wirken kleiner als ich es an die beiden Steine anhänge und den kleinen Hügel zum Kreuz hinauftrage. Dann lege ich sie langsam ab und verabschiede mich damit von Steinen und Problemen gleichzeitig, beide sollen hier bleiben, auch wenn sie mich sicher noch verfolgen werden.
Die anderen Menschen stören mich etwas. Es sind einfach zu viele. So hat der Ort für mich nur wenig Heiligkeit. Es ist ein Ort für Touristen. Manche sind sogar mit dem Auto dort und schauen sich die Pilger an. Für mich scheinen spirituelle Momente etwas mit Ruhe zu tun zu haben und mit Einsamkeit. Hier ist beides nicht. Ich gehe bald wieder. Etwas enttäuscht, habe ich vorher doch schon von diesem Kreuz geträumt. Es war wohl nur eine Station, kein Ziel, keine Sehnsucht auf meinem Wege.
Als ich weitergehe wird der Weg schwerer. Meine Blasen sind sowieso nicht begeistert über Berge gehen zu müssen, jetzt aber geht es erst runter dann wieder rauf dann wieder runter und noch einige Male ebenso. Steil hinab geht es auch, teils über felsige Pfade, die sehr schwer zu gehen sind, immer wieder stolpere ich. Kaum konzentriere mich nicht mehr aufs gehen, sondern versinke in der Natur, im Unterwegssein, schon muss ich mich mit meinem Pilgerstab auffangen um nicht den Berg hinunterzukullern.
In der ersten Stadt mache ich eine lange Pause. Es geht mir noch gut genug, dass ich weitergehen will. In der zweiten Stadt gefällt es mir dann nicht und so treibt es mich abermals weiter.
Der Weg wird steil, die Sonne schickt Hitze hinab auf die Welt. Wie so unzählige Male zuvor werden meine Schritte schwerer. Da ich wieder langsam gehen muss um mein Knie zu schonen belaste ich andere Teile meines Körpers. Selbst der Rucksack wird schwer. Eigentlich merke ich ihn sonst nur sehr selten. Lautlos fluche ich ein wenig vor mich hin, ziehe die Träger zurecht und marschiere weiter.
Erst nach insgesamt 7 ½ Stunden komme ich an. Erschöpft gönne ich mir ein eiskaltes Bier. Luxus den ich mir leisten möchte. Beim Biertrinken lernen ich ‚die drei verrückten Mammis‘ aus Deutschland kennen. Eine sehr aufgedrehte Gruppe, die sich nicht sattknuddeln kann an dem kleinen Hund der zur Herberge gehört.
Am Abend gibt es ein großes Pilgermenü mit vielen bekannten Gesichtern. Siedendheiß fällt mir plötzlich ein, dass ich unbedingt zur Apotheke wollte. Schnell springe ich auf, spreche mich so gut es geht mit dem Kellner ab und stürze zur naheliegenden Apotheke, die gerade noch so geöffnet hat. Nachdem ich die notwendigen Medikamente erstanden habe gehe ich etwas gemütlicher zurück und reihe mich wieder in meine immer noch essenden Freunde ein. Zu viel Wein lässt mich schwanken auf dem Weg zurück zur Herberge. Es ist schon recht spät, so dass ich sehr schnell in ein wirklich gemütliches Bett falle. Traumlos ist die Dunkelheit, der nächste Tag wartet schon.
16.09.08 25km nach Cacabelos – Alles was man fangen kann in Worten gehört zur Geschichte
Heute möchte niemand früh aufstehen. Von den Bergen sind viele erschöpft. Irgendwann quält sich natürlich trotzdem jeder aus dem Schlafsack oder unter der Decke hervor. Ich bin sicher nicht der Einzige, der heute gerne einfach mal ausschlafen, einfach mal da bleiben würde. Doch die ‚Regel’ des beständigen Weiterziehens wird nur selten gebrochen. Höchstens in großen Städten oder bei Krankheiten / Verletzungen bleibt man länger als einen halben Tag an einem Ort. Der Weg zieht uns alle immer weiter. Auch wenn es in mittelalterlichen Zeiten sicher anders war, ist es nun nicht mehr üblich an einem Ort zu verweilen. Nur wenige Herbergen geben Gelegenheit dazu. Auch die Daten auf dem Stempel treiben immer weiter. Wie sähe es auch aus, ständig Stempel doppelt zu haben? Die Unruhe, das beständige Gehen, dieses Beten mit den Füßen, sie gehören dazu. Unausweichliche und ungesagte Regeln. Neben Pizza und körperliche Nähe zu einer schönen Frau ist Schlaf eines jener Luxusgüter, die mir am meisten fehlen. Unter der warmen Decke bleiben zu dürfen, ohne Termine die Wärme zu genießen, fehlt mir.
Mit Sabine und Judith-Anne breche ich Richtung Ponferrada auf. Der Weg dorthin ist nicht weit und führt nur durch ein einziges anderes kleines Dorf. Die Natur verzaubert uns alle, wie so oft. Es ist mit Worten nicht zu umschreiben, die Farben scheinen hier anders zu glänzen als daheim. Die Luft hat
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