911
jüngsten, operativ aktiven Vertreter des Clans entworfen wird. Ferdinand Alexander Porsche schien ein wählerisches Kind seiner Zeit zu sein. Der nur zwei Jahre ältere Dieter Rams hatte etwa zur selben Zeit seine ersten Objekte für Braun designt. Die vom Volksmund »Schneewittchensarg« getaufte Radio-Plattenspieler-Kombination mit dem technischen Namen SK 4 war ein Meisterwerk minimalistischer Eleganz, das 1956 vorgestellt das Produktdesign in Deutschland veränderte. Diese Reduktion war weniger ein Nachklapp zum Bauhaus als vielmehr schon ein Vorspiel zum Minimalismus, der zu Beginn der 60er Jahre in der Kunst, Musik undArchitektur als Gegengift zum abstrakten Realismus, dem zwölftönenden und dem hageren Funktionalismus entstand.
Rückblickend definierte Rams zehn Thesen für ein gutes Design, die der Porsche 911 fast selbstverständlich erfüllte. Gutes Design müsse innovativ sein und ein Produkt brauchbar machen. Es solle ästhetisch sein und ein Produkt verständlich machen. Da war beim Elfer vor allem die Konturierung des Hecks beispielhaft, weil dort der Motor saß und die Kraft auf die Straße kam. Das kühn-knackige, muskulöse Heck des Elfers war die ideale Skulptur für einen Heckantriebler. Gutes Design müsse unaufdringlich sein und ehrlich. Gemeint war damit die Vermeidung jeder Show, die ernsthafte Konsumenten nur enttäuschen könne. Der Porsche sollte nicht innovativer (siehe DS), leistungsfähiger (siehe Goertz-Entwurf) oder wertvoller (siehe DS und Goertz) erscheinen, als er in Wirklichkeit war. Gutes Design müsse langlebig sein, konsequent bis ins letzte Detail, umweltfreundlich und so wenig Design wie möglich. Mit diesen knappen wie klugen Thesen hatte Rams die Essenz der Elfer-Form beschrieben. Besonders der letzte Punkt war Ferdinand Alexander Porsche wichtig. Weniger Design sei mehr, hatte Rams da ergänzt, konzentrierte es sich doch auf das Wesentliche, statt die Produkte mit Überflüssigem zu befrachten.
Wohl nicht zuletzt deshalb ist der Porsche 911 ein bevorzugtes Auto für Architekten, Designer und Künstler. Unaufgeregt verweigert der Porsche 911 den Drang zum Design. Er ist auf geheimnisvolle Weise neutral wie emotional. Funktional und elegant. Bittet man Kinder, einen Porsche zu skizzieren, kommt in der Regel ein Porsche 911 heraus. Warum?Weil dieser Wagen das Kindchenschema des Käfers und die edle Einfalt des 356ers auf zeitgenössische Art weiterführte und kühl, streng und humorfrei die Leistungsfähigkeit unter dem Blechkleid kommunizierte. Affektfreier als ein Haus von Adolf Loos erklärte der Elfer von Anfang an populär, dass Ornament ein Verbrechen sei – zumindest im Automobilbau. Das war zu einer Zeit, als Limousinen Flügel, Sportwagen Flügeltüren und amerikanische Flitzer metallische Wucherungen hatten, ein radikales Gegenkonzept. Der Elfer war ein Zeitgenosse des Braun-Designs und des Kanzlerbungalows von Sep Ruf. Für einen Designer wie Otl Aicher war der Elfer auch eine Art futuristische Skulptur. »Er fährt, auch wenn er steht«, sagte Aicher.
Einer der Gründe des Erfolgs von Porsche war im auf Gleichheit und Maß angelegten Nachkriegsdeutschland die sanfte Ästhetik der Distinktion. Sportwagen, und Porsche allemal, waren Luxusgegenstände, aber sie waren im Ton feiner Bescheidenheit konstruiert und verkauft worden. Wer etwas Lautes haben wollte, griff zur italienischen oder englischen Konkurrenz. Der Porsche war ein Produkt des rheinischen Kapitalismus und der Sozialpartnerschaft. Insofern war er von Anfang an ein sozialverträgliches Gefährt: Er verdeutlichte, dass die vermögende Elite des Landes die funktionalistischen Ideale der Mehrheit ebenso wertschätzte wie die bundesrepublikanische Geste der Demut und Bescheidenheit. Wer soziale Unterschiede laut kommunizieren wollte, wurde mit dem Elfer nicht glücklich.
Werbung machte Porsche wenig. Ferry Porsche hatte sich entschieden, herausragende Leistungen im Motorsport als Werbung zu sehen. So gesehen war Leistungsfähigkeit das einzige Marketing, für das sich Porsche interessierte. Der Elfer wollte weniger mit Pomp oder Gestelztheit begeisternals mit seiner technischen Brillanz. Es ging um das Sein und nicht den Schein – eigentlich für jeden Designer eine Zumutung.
Nicht so für den auch im persönlichen Umgang eher zurückhaltenden, unaufdringlichen Ferdinand Alexander Porsche. Auch im Privaten war der Stoiker der Mäßigung verbunden. Wie sein Vater heiratete auch er seine Jugendliebe und
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