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911

911

Titel: 911 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Poschardt
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Oktober 1972 mit dem Beginn der Serienfertigung des RS einen Heckspoiler auf der Motorhaube zu plazieren. Mithilfe der Abtriebsfunktion sollte der tendenziell nervöse Heckantriebler mit nun 210 PS ausgestattet auf der Straße gehalten werden, auch bei Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 245 Kilometern pro Stunde. Aus Rücksicht auf die Urform beschränkten die Porsche-Ingenieure und Designer die aerodynamische Stabilitätshilfe auf das geforderte Minimum. Das hatte zur Folge, dass der Spoiler wie ein Entenbürzel aus der klassischen Silhouette herausragte und er künftig auch so genannt wurde.
    Der bis dahin schnellste deutsche Serienwagen sollte ursprünglich nur für die Zulassung im Rennsport in einer Auflage von 500 Exemplaren gebaut werden, aber damit hatte Porsche das Interesse an einem solchen vergleichsweise teuren Supersportler unterschätzt. Der Werbeslogan »Nur 500 Männer werden ihn fahren« erwies sich als chauvinistische Fehleinschätzung. Rückblickend nutzten die damaligen Werbeverantwortlichen den Grund ihrer Fehleinschätzung zur feministischen Propaganda. Dass sich der Wagen am Ende mehr als 1.500-mal verkauft hat, wurde fälschlicherweise und ein wenig ironisch damit erklärt, dass es viele Frauen gab, die den RS kauften. In Wahrheit hat aber keine einzige Frau einen RS bestellt. Seit seinem Verkaufsstart 1964 war der Elfer auf den Straßen in Deutschland zu einem seltenen, wenn auch vertrauten Anblick geworden, für mehr Distinktion sorgte da der trotz des Verkaufserfolgs außerordentlich rare RS. Autofanatische Kinder und Väter schämten sich an Ampeln oder auf Parkplätzen nicht, enthemmt auf diesen Sportwagen zu starren.
    Für Puristen blieb der Spoiler ein Sündenfall, der nur dadurch in seiner Verwerflichkeit relativiert wurde, dass erausschließlich aus Gründen der Funktionalität eingeführt wurde. Die Erfolge von Porsche im Rennsport sollten in der Serie ankommen dürfen, und dies war in den 70er Jahren nur durch Spoiler möglich. 1973 präsentierte Porsche den 260 PS starken Turbo, der einen signifikant größeren Spoiler als der RS erhielt. Aus dem Entenbürzel wurden die Turboflügel, die nicht nur aus Gründen des Abtriebs, sondern ab 1977 auch zur Kühlung der Ladeluft für den Turbo dimensioniert wurden. Um die Straßenlage zu verbessern, erhielt der Turbo eine breitere Spur, die vom rennerfahrenen RSR stammte. Die »Krönung einer bewährten Konzeption«, so die Porsche-Werbung, pointierte damit eine aggressive Erscheinung, die relativ klar die technische Überlegenheit des Turbos vermittelte. Ein auf der Überholspur heranfliegender Turbo wurde mit seinem dramatischen Heck sofort als solcher erkannt. Andere Hersteller wie BMW gingen volkspädagogischer vor. Die Münchner statteten ihren 2002 Turbo mit einem Turbo-Schriftzug auf dem Frontspoiler aus. Damit der Blick in den Rückspiegel auch umgehend zum Räumen der linken Spur führte, war der Schriftzug spiegelverkehrt angebracht – und damit ausschließlich für die Drohung des Vordermanns gedacht.
    Mit dem Turbo optimierte Porsche die Verzahnung zwischen Serien- und Rennsportfahrzeugen. Die wuchtigen, zwei Meter breiten 911 Carrera RSR Turbo mit ihren 500 PS erreichten zeitgleich mit dem 911 Turbo das Bewusstsein der Autoliebhaber. Die von »Auto Motor Sport« gestoppten 5,5 Sekunden für die Beschleunigung von null auf hundert Kilometer pro Stunde waren Fabelwerte, verglichen mit der britischen und italienischen Konkurrenz. Der Transfer aus dem Rennsport stellte die Hierarchie auch im zivilen Sportwagenalltag wieder her. Gleichzeitigpotenzierte dieser Turbo die Anforderungen an den Fahrer eines Elfers. Galten die Elfer bislang auch in ihren zahmen Versionen als gewöhnungsbedürftig, was das Fahrverhalten betraf, so war die Heckschleuder mit ihrem genickschlagähnlichen Turboschub ein Sportwagen ausschließlich für erfahrene Piloten. Der Machismo der Turbowerbung meinte, was dieser Wagen auf den ersten Blick versprach: ein Abenteuer für echte Männer. Wobei Porsche weitsichtig genug war, den ersten Turbo einer Frau zu vermachen: Louise Piëch, der Mutter von Ferdinand Piëch. Auch der tausendste Turbo ging an eine Frau: an Prinzessin Antoinette zu Fürstenberg. Herbert von Karajan erwarb einen der ersten Serien-Turbos als Lightweight-Version. Er, der jedes Orchester und jedes Meisterwerk klassischer Musik unter seine Fuchtel bringen konnte, zweifelte keinen Augenblick, dass dieser Sportwagen von ihm zu beherrschen sei.

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