911
Nicht jeder durfte sich dessen sicher sein. Jede Unkonzentriertheit, besonders bei Nässe, wurde vom Turbo bestraft. Die US-Werbung »Exclusive Explosive Expensive« warnte die Kunden vor dem Fahrzeug. Wer den Turbo unterschätzte oder das eigene Fahrkönnen überschätzte, lief Gefahr, die Kontrolle über das kostspielige Fahrzeug zu verlieren.
Auch die Porschianer, die über den Turboflügel lästerten, ahnten, was der nervöse Turbo bei hohen Geschwindigkeiten ohne den Flügel an Straßenlage und Grip bestenfalls würde bieten können. Deshalb wurde der Spoiler akzeptiert. Für Spott sorgte in der Regel der Porsche-Aufschneider, der seinem einfachen Elfer mit 165 PS den wuchtigen Turboflügel aufklebte. Es war der Verstoß gegen das Dogma des Elfers, nie mehr scheinen zu wollen, als man ist. Porsche ließ den Kunden die Freiheit und realisierte, dass nicht jeder, der ein rasant wie imposant aussehendes Coupé erstrebte,auch unbedingt die entsprechende Leistung miterwerben wollte. Die aufgemotzten Elfer galten nicht nur bei Heinrich-Böll-Lesern als Angeberautos, auch Elfer-Freunde konnten mit dieser Art von Aufschneiderei wenig anfangen. Doch der Markt wollte dies und noch viel Scheußlicheres mehr. Die wenigsten Kunden griffen zum WTL, zum Werksturbolook, sondern kauften bei barbarisch vorgehenden Tunern wie Blechkosmetikern flachnasige Umbaukits und monströse Spoilerberge. Dass Porsche selbst den Turbo auch als Flatnose anbot, schockiert den Autor dieses Buches bis heute. Es ist die einzige nicht hinnehmbare Verstümmelung des Elfertums, die auch Porsche-Libertäre als inakzeptabler Regelbruch empört.
Das Verhältnis zum Spoiler blieb bei Porsche glücklicherweise distanziert. Mit dem Ende der G-Baureihe begann die Ära des heimlichen Heckspoilers. Der 1988 vorgestellte 964er hatte von den Ingenieuren einen Heckspoiler erhalten, der automatisch bei 80 Kilometern pro Stunde ausfuhr und bei Geschwindigkeiten unter 30 Kilometern pro Stunde wieder einfuhr. Leider sprach sich dies bei Polizisten herum, die in den 90er Jahren in der Stadt bevorzugt neue Carreras mit ausgefahrenem Spoiler kontrollierten. Da der Spoiler auch manuell ausgefahren werden konnte, fehlte dem ausgefahrenen Spoiler jedoch jedweder Beweischarakter. In der Porsche-Gemeinde löste der ausfahrbare Spoiler vor allem Erleichterung aus. Er verdeutlichte, dass die Leistungsfähigkeit des Elfers zulegen konnte, ohne dass der Elfer mit entsprechender Kriegsoptik durch verkehrsberuhigte Zonen schleichen musste. Seither erhielten alle neuen Baureihen diese Konstruktion, wobei das Tempo, bei dem der Spoiler ausgefahren wird, mit der Modellbaureihe996 auf 120 Kilometer pro Stunde angehoben wurde.
Beim Porsche Panamera schließlich wurde auch beim 500 PS starken Turbo vermieden, einer exklusiven Limousine mit einem »Geweih« am Heck die bürgerliche Existenz zu vermasseln. Der Designer des Panamera Michael Mauer bekannte in Interviews wie auf Podiumsveranstaltungen, dass er keine Freude am Spoiler habe, dass er aber ab Tempo 250 keine Wahl habe: Da werde ein Spoiler benötigt. Aus Sicht eines Designpragmatikers wie Professor Lutz Fügener sollte der Spoiler nicht allzu sehr dramatisiert werden, seine Existenz verdanke er seiner Notwendigkeit, und die Funktionalität stehe über geschmäcklerischen Einwänden. Der Elfer habe eben aufgrund seines Heckmotors genetische Probleme, was die Straßenlage betrifft, und die müssten eben mit einem Spoiler ausgeglichen werden. Nachdem die Tuning-Subkultur über Jahrzehnte ihre exzentrischen Blechwelten vor allem mit hysterischen Spoilerkonstruktionen garnierte, hat sich in den Nullerjahren ein kühler Essentialismus durchgesetzt. Es gilt die »3F-Regel«: Felgen, Fahrwerk, fertig. Einzige elegante, weil heroische Ausnahmen sind die Meisterwerke von »Rauh Welt Begriff« aus Tokio.
Das Auto der Helden
Ein Mann der leisen Töne war Herbert von Karajan nie. Indem er sich auf den Covern seiner Platten denkbar viril präsentierte, machte er die klassische Musik endgültig zu einem Teil des Showbusiness. Dazu gehörte natürlich auch die entsprechende Motorisierung. Nicht ohne Stolz ließ sich Karajan für eine Platte mit »Berühmten Ouvertüren« von Beethoven bis Wagner am Steuer eines silbernen Porsche fotografieren, den es so nur einmal gab. Es war ein 911 Turbo, den Karajan als Einziger mit der leichten Karosse eines Carrera RSR erhielt, und zwar in der Kriegsbemalung mit den Martini-Streifen und großen
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