911
Verfilmung des Pamphlets gegen den Boulevardjournalismus startet mit der Szene, in der der Terrorist einem offensichtlich betrunkenen Wohlstandsverwahrlosten den grünen Porsche 911 stiehlt und damit von den ihn observierenden Polizisten flüchtet. Es ist eine nicht sonderlich subtile Referenz auf den geklauten Porsche von Andreas Baader. Wenig später, er hat Katharina Blum, die gute Heldin, schon kennen und lieben gelernt, gibt es eine kleine Verfolgungsjagd, in der der Elfer die S-Klasse der Polizei abhängt: Die Limousine galt schon vor der Schleyer-Entführung in linksliberalen Milieus als Symbol der verfetteten Führungsschicht der verhassten Bundesrepublik, der Vorstände und der Minister. In dem Film wirkt die S-Klasse wie ein Auto des Feindes, aber der gute Terrorist entkommt mit List, Mut und Geschick dank seines wieselflinken 911 Targa den Häschern.
Keine halbe Stunde später im Film, Katharina Blum ist bereits verhaftet, taucht der nächste Elfer auf. Er ist braun, sein eigentlich graziles Heck verunstaltet ein unpassend ausgreifender Heckspoiler, der angesichts der 165 PS dieses G-Modells ziemlich vorlaut anmutet. Es ist ein Porsche-Modell, das es zu Zeiten, als Böll den Text schrieb, so noch gar nicht gab. Schlöndorff und von Trotta aber entschieden sich wohl bewusst für ein Modell, dem die Aura des Unseriösen und Neureichen leichter geglaubt würde als einer fast skulptural friedfertigen Karosse, wie sie der Ur-Elfer darstellt. Den darf der Terrorist fahren, nicht aber der Boulevardjournalist. Der »Schmierfink« und »Witwenschüttler« hat bei seinem Elfer die Felgen goldfarben lackieren lassen. Dereinst elegante Porsche wird so zu einem filmtauglichen blechernen Double des unseriösen, insgesamt ziemlich unausstehlichen Boulevardjournalisten Tötges und rollt so durch eine vor Überdeutlichkeit fast berstende Bild- und Textlandschaft. Der Elfer wird gesellschaftlich im Dunstkreis des Widerlichen geparkt.
Sympathisch wird dieses Auto nur als Fluchthelfer für einen Terroristen, doch auch dieser Elfer ist entstellt mit den aggressiv aufstehenden Zusatzscheinwerfern, die damals nur bestellte, wer auch in der Nacht mit seinem Elfer möglichst viele Menschen blenden wollte. In dieser Funktion ist er auch dem vulgären Wahrheits- und Rufmörder zuhanden. Da der Porsche damals wie heute ein eher teures Fahrzeug ist, erzählt die Tatsache, dass ein einfacher Reporter sich so einen Sportwagen leisten kann, auch einiges über die Unmoral des Kapitalismus. Zudem stellt diese Art von Porsche-Karikatur samt ihren Entstellungen dem Charakter des Besitzers zusätzlich zu den bestaunenden Abgründen auch eine gänzlich uneingehegte Eitelkeit aus, die er in dieser Moritat mit dem Leben bezahlen muss.
Ganz anders die gute Heldin. Sie fährt einen grünen Käfer. Katharina, griechisch für »die Reine«, ist, wie ihr Nachname verrät, der Natur und damit wohl auch dem Guten ganz nahe. Heinrich Böll lässt alle Namen sprechen. Der Terrorist Götten ist den Göttern nahe und damit wohl mächtig und gut, aber für Menschen unerreichbar. Der Boulevardjournalist heißt Tötges, weil er Menschen mit seinen Geschichten tötet. Deswegen wird der Porsche-Besitzer am Ende des Films hingerichtet. Die arme Käferfahrerin landet im Gefängnis. Mit Bölls Roman und der Schlöndorff-Verfilmung tritt der Porsche in das Zeitalter seiner Karikatur.
Von Tötges führt eine direkte Linie zu Helmut Dietls undPatrick Süskinds ›Baby Schimmerlos‹, dem Klatschreporter in München, der weniger menschenverachtend als menschliche Schwächen ausnutzend seinem nicht sonderlich seriösen Job nachgeht und natürlich auch einen Porsche 911 fährt. Einen weißen Targa im breiten Turbolook, ebenfalls mit Heckflügel und den damals in München nur mehr in sehr lauten Kreisen verbreiteten Zusatzscheinwerfern. Der Heckspoiler als Synonym des Gemeinen wird zum grellen Make-up eines Sportwagens, der bis dahin lange ungeteilt die Sympathien der Deutschen besaß, wie Umfragen immer wieder belegten. Nun wird er im Zeitgeist der 70er, dann der 80er Jahre zu einer problematisierten Überschreitung des egalitären Grabens, der das Akzeptierte vom Zuverstoßenden trennt. Ein Elfer in Kriegsbemalung ist der bildungsbürgerlichen »moral majority«, die Diskurssysteme normiert und kontrolliert, genauso fern wie der ruchlose Boulevardjournalismus. Er provoziert Hass und Verachtung. Und dank Böll, Grass und Margarethe von Trotta wird der Elfer zur
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