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911

911

Titel: 911 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Poschardt
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einiges, auch die Liebe zum Porsche 911. Berühmt wurde die Geschichte, dass sie sich einen Elfer zulegte, bevor sie 18 wurde, einfach in Vorfreude auf einen Genuss, den sie unbedingt haben wollte. Mit den Kindern änderten sich die automobilen Vorlieben. Um ein gutes Vorbild für ihren Nachwuchs zu sein, kaufte sie statt des Sportwagens einen Chrysler Voyager, gestand aber in einem Interview, sich vielleicht wieder einen Porsche zu kaufen, wenn die Kinder aus dem Haus seien. Ihre Arbeit mit dem London Philharmonic Orchestra veranschaulichte sie über eine Metapher mit dem Gasfuß. Manche Orchester klängen samtig, aber das London Philharmonic Orchestra – so Anne-Sophie Mutter – »ist eher wie ein Porsche – dynamisch und jugendlich, ihm gelingt einfach alles. Sein Mozart ist schnell, nicht was die Tempi angeht, sondern der Reaktionszeit nach. Es ist Kammermusik, ohne es sich je bequem zu machen.« Eine vielsagende Interpretation nicht nur der Londoner Philharmoniker, sondern auch des Elfer-Fahrens.

Die Nahtoderfahrung
des Porsche 911
    Über die Länge des Striches mit dem Edding-Stift kursieren verschiedene Versionen. Als der frisch gekürte Vorstandsvorsitzende von Porsche, Peter W. Schutz, Anfang 1981 im Büro seines Entwicklungschefs, Helmuth Bott, saß und über die Zukunft des schwer angeschlagenen Unternehmens nachdachte, fiel sein Blick auf einen Chart an der Wand. Die Übersicht zeigte die Entwicklungsperspektiven für die einzelnen Produktlinien vom 944er über den 928er bis zum Elfer. Zwei davon ragten weit in die Zukunft, die Linie des Porsche 911 reichte nur bis zum Jahr 1981. Da nahm Schutz einen Edding vom Schreibtisch seines Vorstandskollegen und verlängerte die Linie bis ans Ende des Charts. So zumindest hat er, Schutz, es im Rückblick beschrieben. Es halten sich Gerüchte, dass Schutz über den Chart hinweg die Linie bis ans Ende der Wand zog, andere behaupten sogar, er verlängerte die Linie ums Eck herum bis ans Ende derzweiten Wand. Damit hatte Schutz eine für die Geschichte des Sportwagens wie des Automobilbaus bedeutende Entscheidung getroffen. Das Gerede vom Untergang des Porsche 911 sollte ein Ende haben und stattdessen mit diesem Modell die Zukunft des Unternehmens gerettet werden. Die lange Laufzeit des G-Modells, insgesamt 16 Jahre, war ein Indiz dafür, dass Ende der 70er Jahre eigentlich auf das Ende des Elfers spekuliert worden war, wären da nicht die Kunden gewesen, die nicht aufhörten, die Heckschleudern zu bestellen.
    Mit dem in Berlin geborenen amerikanischen Juden Schutz hatte Porsche im Januar 1981 einen neuen Chef erhalten. Er wollte im 911er mehr sehen als die altgedienten Fahrensmänner Bott und Fuhrmann, der als Motorenentwickler so berühmt war, dass Triebwerke nach ihm benannt wurden. Dennoch zweifelten Bott wie Fuhrmann früh an der Zukunftsfähigkeit des Elfers. Sie blickten als Ingenieure auf einen luftgekühlten Heckantriebler, der ganz nüchtern betrachtet schon bei seiner Einführung weder den letzten Stand des technisch Machbaren verkörperte noch den Charme des Unersetzlichen besaß. Die beiden genialischen Tüftler konnten in den offensichtlichen Mängeln des Elfers nichts Gutes sehen – und damit blieb ihnen das Wesen des Porsche 911 am Ende etwas fremd. Denn gerade jene so offensichtlichen Mängel, über die sich Porsche-Spötter wie Jeremy Clarkson gerne lustig machten, verschafften diesem Sportwagen einen Charakter, der das Fahrzeug unverwechselbar und wohl auch liebenswert machte.
    Weltpolitisch grundiert wurden die Zuffenhausener Selbstzweifel von Zäsuren in der Modernitätsgeschichte der Industrialisierung. Die Ölkrise riss die westliche Welt rüde und ziemlich unvorbereitet aus ihrer gemütlichen Zuversichtund unterminierte den bislang ungebrochenen Mobilitäts- und Fortschrittsglauben dieser Zeit. In Deutschland erwischte es die Autoindustrie auf dem falschen Fuß. Porsche hatte sich gerade von einem familiengeführten Unternehmen in eine Aktiengesellschaft mit Managementführung verwandelt, als die erste Ölkrise im Herbst 1973 den Ölpreis um 70 Prozent steigen ließ. Der Traum von »schneller, breiter, tiefer« war teurer geworden. Ernst Fuhrmann war als Vorstandsvorsitzender von Porsche sicher, dass Autos, Sportwagen eingeschlossen, künftig sparsamer, komfortabler und auch ein wenig futuristischer daherkommen sollten.
    Deshalb schrieb er dem Nachfolger des VW-Porsche 914 besondere Bedeutung zu. Dieser handzahme Sportwagen war von Porsche

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