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911

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Titel: 911 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Poschardt
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Turbo-Schriftzügen. Selbst für den kleinen Kreis der Porsche-Aficionados unter seinen Fans war das ein Ausrufezeichen hinter einer Hommage an den Elfer. Das Bild wirkt, als wären Dirigent und Fahrzeug aus demselben edlen Holz geschnitzt. Das Silber des aufreizend bunt beklebten Porsche harmoniertmit dem silbergrauen Haarschopf des genialischen Dirigenten, unter dessen marmorn anmutenden Gesichtszügen »Turbo« zu erahnen ist. Das Foto hat einen zur Zeit passenden hyperrealistischen Blick auf Karajan und sein geliebtes Spielzeug: Es wirkt in der gewagten Komposition der Farben und der für einen Dirigent irgendwie verrückten Situation künstlich. Aber es ist auch authentisch Karajan, der aus seiner Liebe zu schnellen Autos, Motorrädern, aber auch Jachten und Flugzeugen kaum einen Hehl machte. Seine Plattenfirma nutzte jedes dieser Hobbys für Inszenierungen, die den geschmeidigen Glanz eines Managerkalenders ausstrahlen. Die Bilder prägt eine technisch kühle Erhebung des Maestros in eine Art Sonderklasse für Weltenlenker. Herbert von Karajan scheint ewig unterwegs, fliehend vor Orchester und Konzerten, stets im Rausch der Geschwindigkeit und jener in ihr verborgenen Klänge.
    Das Posieren mit dem Elfer fällt in die Zeit, als sich Karajan neu erfand. In den Einspielungen fand die Technisierung der karajanschen Ästhetik statt, das Klangbild wurde neu verchromt. Zuvor waren die Berliner Philharmoniker ein von Furtwängler geprägtes Düsterkeitsensemble gewesen, mit Karajan wurde hochtouriger musiziert. Die Glanzästhetik war eine Metallästhetik und insofern passte sie gut zu einem Dirigenten, der diesen Berufsstand als erster Popstar zu Weltruhm führen wollte. Vor diesem Hintergrund erscheint dem Karajan-Experten Kai Luehrs-Kaiser der Besitz eines eigenen Flugzeugs noch wichtiger und auszeichnender als der eines Porsche, weil ein eigener Jet noch mehr Exklusivität schafft. Gleichzeitig erhöhte dieser Mobilitätsluxus den Druck, die damals noch bescheidenen Gagen atemberaubend schnell zu erhöhen.
    Zur selben Zeit entstand auch Karajans neue Frisur, mit dem metallisch silberfarbenen Haar, das gleichsam aerodynamisch geschnitten war, als hätte der Friseur im Fahrtwind arbeiten müssen. Obwohl der Porsche nie wirklich ein Playboy-Auto war, sollte der überpotente Sportwagen das Playboy-Image des Dirigenten unterstreichen. Zusammen mit den Villen in St. Tropez und St. Moritz warb Karajan um ein neues Publikum in jener Mittelschicht, die gerne voller Ehrfurcht nach oben blickte, zu den Schönen und Reichen. Mit dem filmstarähnlichen Glamour wollte Karajan auch Identifikation abseits des Musikalischen schaffen.
    Für die Hände, die das beste Orchester der Welt dirigierten, mussten auch bei der genussvollen Eroberung nicht musikalischer Welten die aufregendsten Instrumente gefunden werden. Wobei der Porsche für Karajan auch ein Musikinstrument war. Für das ihm zugeschriebene Bonmot, das der Klang eines Porsche 911 nur mit einem guten Mozart verglichen werden kann, finden sich keine Belege. Experten wie Luehrs-Kaiser bezweifeln, dass ein derart ignorantes und vorlautes Bonmot von Karajan stammen könne. Dafür sei er nicht blöd genug gewesen. Überliefert jedoch ist der Spruch, dass er einen guten Fahrer an der Zahl der toten Insekten auf der Windschutzscheibe erkenne.
    Schon Ende der 50er Jahre war Karajan zum Porschefahren konvertiert, als er 1959 einen 550 A Spyder kaufte. Der Ex-Rennwagen von Richard von Frankenberg erhielt jedoch aus Sicherheitsgründen den zahmen Motor eines 356 A Carrera. 1955 hatte er einen 356 Speedster gekauft, 1961 kam noch ein 718 Coupé in die karajansche Sammlung. Sein erster Elfer war – logischerweise, möchte man behaupten – ein S-Modell, bis er 1975 den ersten Turbo und schließlich 1975 jenen Turbo mit dem 3-Liter-Motor, damals fabelhaften260 PS und dem rotblauen Martini-Design erwarb, der an die Erfolge des Martini-Racing-Teams erinnern sollte. Danach erhielt Karajan auch noch zwei der überaus seltenen 959er. Der indisch rote mit der Lieferscheinnummer 0959 sollte sein letztes Auto vor seinem Tod im Juli 1989 werden. Oft war Karajan in Weissach zu Gast, um Rennwagen zu testen und sich über die neuen technischen Entwicklungen informieren zu lassen. Karajan war auch beim Porsche-Fahren notorischer Perfektionist, erkundigte sich beim Salzburger Porsche-Zentrum, wie der richtige Luftdruck bei seinen Elfer-Reifen sei.
    Anne-Sophie Mutter übernahm von ihrem Mentor so

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