911
1975 fertig entwickelt worden, nachdem der damalige VW-Chef wegen der Ölkrise entschieden hatte, auf dieses Modell zu verzichten, und somit die Kooperation mit den Stuttgartern aufkündigte. Porsche war – auch aus Verzweiflung – mutiger und brachte den vierzylindrigen 924er 1976 auf den Markt. Die gerade mal 125 PS sorgten für bestenfalls ansehnliche, aber keinesfalls beeindruckende Fahrleistungen. Da der schwachbrüstige 924er deutlich billiger als der Elfer war, erschloss er neue Käuferschichten für Porsche, dem Image der Marke jedoch hat dieses vernünftige, schnell aussehende Einstiegsmodell nicht nur genutzt.
Einen ganz anderen Anspruch formulierte der Porsche 928, der rückblickend wie der übergroße Bruder des Porsche 924 daherkam. Zwischen dem 924er und dem 928er wirkte der ganz anders geformte, mit einem anderen Antriebskonzept versehene Porsche 911 wie ein ungeliebtes Stiefkind. Als der Porsche 928 ein Jahr nach dem 924er auf den Markt kam,war er größer, bequemer und auch üppiger motorisiert als der Porsche 911, wenn man vom Turbo absah. Mit seiner Formensprache erinnerte das 1,83 Meter breite und fast viereinhalb Meter lange Coupé an italienische Gran Turismos. Designt hatte ihn Anatole Lapine, der mit seiner behutsamen Überarbeitung des Ur-Elfers zum G-Modell bewiesen hatte, wie tief sein Verständnis der Tradition reichte. Lapine verstand seinen Entwurf als provokant und spannend und glaubte so, diesem Auto eine längere Jugend zu bescheren. »Porsche-Formen müssen mindestens 15 Jahre halten«, erklärte er auf dem Genfer Salon 1977 bei der Vorstellung. Es war eine ziemlich präzise Voraussage. Nach genau 18 Jahren wurde die Produktion des 928ers im Jahr 1995 eingestellt. Lapine, der mit seiner Familie 1951 als »Staatenloser« in die USA ausgewandert war, war der globalen Formensprache des Automobildesigns verbunden, aber nirgendwo verwurzelt. Für Opel entwarf er den GT und wer dieses damals stilbildende Auto, inspiziert, sieht darin nicht nur die kleine Stingray Corvette, sondern eben auch eine weniger phallische als futuristische Rakete, die in die Zukunft abheben wollte. Der Porsche 928 war zusammen mit dem Citroën SM das ideale Auto, um den luxuriösen Optimismus abseits von Ölkrise und Club-of-Rome-Berichten zu monumentalisieren.
Das Auto war wegweisend, aber eben nicht klassisch. Dank des Transaxle-Konzeptes, das den Motor vorne und das Getriebe im Heck anordnete, erzeugte der Porsche 928 ein geradezu undramatisches Fahrgefühl verglichen mit dem leidenschaftlich übersteuernden, stets tänzelnd nervösen Elfer. Der 928er ruhte auf der Autobahn, auch bei hohen Geschwindigkeiten. In der Regel schnurrte und brummte der großhubige Achtzylinder zufrieden vor sich hin, außer wennman ihn hochtourig um die Ecken jagte, was aber kaum einer der neuen Kunden mit diesem Auto wirklich tun wollte. Dann wurde der Achtzylinder auch einmal laut und keifend. Ein Sound, der nicht zu diesem Fahrzeug passte. Es war ein Sportwagen zum Cruisen. Seine Kraft servierte er entspannt und kultiviert. Wer den 928er per Hand schaltete, spürte, dass beim Transaxle-Konzept die Schaltwege spürbar länger waren als beim knackigen Elfer-Getriebe. Doch am besten fuhr man den 928er mit einem Automatikgetriebe. Das machte ihn zwar noch unsportlicher, aber eben auch bequemer.
»Wir haben«, erklärte Fuhrmann in einem »Spiegel«-Interview ganz stolz, »das Harte am Sportwagen weggenommen, weil man das nicht braucht, weil wir inzwischen sehr viel sicherer und auch sehr viel schneller fahren können, ohne hart zu sein.« Diese Einschätzung erwies sich als tragischer Irrtum. Fuhrmann war leider nicht der Typus Manager und Autoingenieur, der abends heimlich Marshall McLuhan las, denn der hatte schon in den 60er Jahren richtigerweise erkannt, dass der Sportwagen nur dann die Zukunft des Autos sein konnte, wenn er als reines Lust- und Spaßgerät von möglichst viel Nützlichkeitsdenken befreit war. Der tief ausgreifende Funktionalismus, den Porsche seit Gründung als ideologischen Kern seines Selbst verstand, wurde mit Fuhrmann als Vorstandsvorsitzendem und einem Chefentwickler wie Helmuth Bott zu technizistisch ausgelegt. Der Fortschrittsbegriff von Fuhrmann ignorierte das Irrationale des Libidinösen. Zum Sportwagen gehören Härte und auch ein Hauch Aufregung, der mit Risiko und Herausforderung verbunden ist. In einer perfekter werdenden Welt, oder auch nur in einer Welt, die sich perfekter anfühlte, war das
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