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911

911

Titel: 911 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Poschardt
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Träumen zu verabschieden. Beuys präsentierte auf der Documenta 6 die Honigpumpe als metaphorische Antithese zum Verbrennungsmotor und der Verwertungsmechanik der Industrialisierung. Neben Installationen, Zeichnungen und Performances wurden auch Designobjekte vorgestellt, mit dem Schwerpunkt Auto. Und es kam, wie es kommen musste: Das Auto wurde mit den Objekten ad absurdum geführt. Bei Hans Holleins Wagen thronte auf dem Chassis aus rostfreiem Eisen ein Seziertisch. Angetrieben wurde das schaurige Gefährt durch einen Scheibenwischermotor. Das Auto war für die Meute der zeitgenössischen Kunst, jenseits der Verklärer wie Andy Warhol, ein groteskes Objekt, eine Todesmaschine.
    Die Ingenieure in Zuffenhausen hatten gelernt, dass der Zeitgeist unausweichlich war, aber noch mehr hatten sieverstanden, dass es genug Menschen auf der Welt gab, die sich durch den Zeitgeistopportunismus nicht von ihrem Glauben an den technischen Fortschritt abbringen lassen wollten. Der Erfolg des Carrera RS zu Zeiten der Ölkrise wie auch die starken Absatzzahlen des Porsche Turbo verdeutlichten, dass die Anpassung an die Gegenwart nicht opportunistisch, sondern selbstbewusst erfolgen musste. Die strengen Abgasregelungen in Kalifornien zwangen die Porsche-Ingenieure zu stets feinsinnigeren Entwicklungen, um schnelle, aber eben auch saubere Sportwagen zu produzieren. Die Franzosen, die im Automobilbau ihren Zukunftsglauben verloren, entdeckten ihn im Zugbau. Der TGV, der »Train à Grande Vitesse«, sollte schon bald jene Tempiträume erfüllen, mit denen Citroën in Zusammenarbeit mit Maserati beim SM und Renault mit ihren Alpines gescheitert waren.
    Als wüsste Hollywood von den Selbstzweifeln in Stuttgart, wurde der Elfer anders als in »Le Départ« oder in »Le Mans« nicht mehr ein Begleiter für unverbesserliche Individualisten, sondern ein Mordwerkzeug für Agenten des Ostblocks. In der amerikanischen Action-Komödie namens »Condorman« aus dem Jahr 1981, die als Parodie auf James-Bond-Filme daherkommt, jagt eine Meute Porsche-Elfer den naiv-liebenswerten Helden. Die zentrale Szene des Films zeigt einen jugoslawischen Küstenort, in dem die Menschen mitten aus ihrem Alltag gerissen werden. Sie schweigen und starren, bis ein Säugling schreit und die Kirchenglocken ertönen. Sie hören von weiter Ferne den Sound von fünf Porsche 911 Turbos, angeführt von einem blutrünstigen Agenten, der ein künstliches silbernes Auge hat. Es ist das KGB-Verfolgungsgeschwader. In Hollywood entsteht so die Fortführung des Hitler-Stalin-Paktes. Die Porsches,deren Scheiben schwarz foliert sind, agieren wie ein Rudel Wölfe. Der Anführer Morovich fährt einen Flatnose-Umbau des Turbos, während der Held des Films, ein Comiczeichner namens Woody, den angelsächsischen Freiheitsund Individualisierungswillen mit einem Pontiac-Remix den fünf Elfern entkommt. Er sieht auch im Inneren aus wie ein Vorfahre von K.I.T.T., dem Gefährt des Knight Rider, der etwa zur selben Zeit die Verflachung des Muscle Car illustriert. Die Aufnahmen der Porsches lassen diese maximal bedrohlich und aggressiv erscheinen, auch wenn die Fahrer der List des blonden Amerikaners kaum gewachsen sind. Am Ende der knapp zehnminütigen Verfolgungsjagd springt das amerikanische Heldenmobil über einen Steg ins Meer und entpuppt sich als Speed-Boot. Der Fahrer des Porsche sitzt fluchend in seinem schwarzen Ungetüm.
    In der Fuhrmann-Ära drohte Porsche seine Seele zu verlieren. Deswegen schritt die Familie in Gestalt des Aufsichtsrats ein. Fuhrmann musste als Vorstandsvorsitzender gehen und wenig später übernahm Schutz die Verantwortung für das Unternehmen. Anders als Fuhrmann verstand er wenig von Autos und noch weniger von Porsche, doch er hatte das richtige Gefühl, was den Elfer betraf. Genau zehn Jahre nach Fuhrmann gab auch Schutz dem »Spiegel« ein Interview, weil der Absatz bei Porsche drastisch eingebrochen war aufgrund des hohen Dollarkurses. Zudem war der Porsche auf der Überholspur der Autobahn längst nicht mehr Herr des Geschehens. Ende der 80er Jahre drangen mit schnellen Reiselimousinen wie dem Mercedes 190 E 2.3-16, dem M5 und schon einem Mercedes 300 E Konkurrenten auf den Markt, die dem Elfer auf der Autobahn richtig zusetzen konnten. Schutz war es mit der Einführung desCabrios 1982 zwar gelungen, den Absatz insbesondere in den USA zu steigern, aber der damals aktuelle Carrera war tendenziell untermotorisiert. Die »Auto Bild« urteilte 1987 bei einem

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