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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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war er kurz darauf verstorben. Einem der Verkehrspolizisten, die am folgenden Morgen ins Hospital kamen, war die Krawattennadel aufgefallen, die Wei als Geschenk vom Präsidium erhalten hatte. Erst danach hatte er eine vage Ähnlichkeit der Leiche mit Hauptwachtmeister Wei festgestellt und telefonisch im Präsidium nachgefragt.
    Weis Frau hatte ihn dort als vermisst gemeldet, nachdem er am Abend zuvor nicht nach Hause gekommen war. Ihr Anruf war eine Viertelstunde vor dem des Verkehrspolizisten bei der Mordkommission eingegangen.
    Nach Aussagen seiner Frau hatte Wei am Morgen zuvor, bekleidet mit einem weißen Hemd, einer beigen Jacke, Anzughose und Krawatte, sein Heim verlassen. Viel zu förmlich für einen Polizisten im Dienst, obgleich Wei sich schon gelegentlich sorgfältiger kleidete, wenn die Ermittlungen es erforderten.
    »Das war kein Unfall«, fuhr Wang dazwischen, als Chen gerade einen Moment nicht telefonierte, »nicht mitten in diesen Ermittlungen.«
    »Der Stadtverkehr wird immer schlimmer, manche Leute fahren wie die Henker, da muss man nicht gleich das Schlimmste vermuten.«
    »Das stimmt, aber trotzdem …«
    Weiter kam er nicht, denn Chen wählte bereits die Nummer von Inspektor Liao, dem Leiter der Mordkommission.
    »Ich habe keine Ahnung, was er an jenem Morgen vorhatte«, sagte Liao. »Wir hatten uns erst am Tag zuvor über den Fall unterhalten. Wie Sie sicher wissen, hielt er einen Mord nicht für ausgeschlossen, hatte aber keine eindeutigen Indizien. Er könnte versucht haben, weiter in diese Richtung zu ermitteln.«
    »Durchaus möglich«, sagte Chen und dachte über Weis Garderobe nach. Vielleicht wollte er in dieser Verkleidung im Hotel erscheinen. »Da könnten Sie recht haben, Liao. Lassen Sie uns weiter darüber reden, wenn ich im Präsidium bin.«
    Als der Wagen in die Shaanxi Lu einbog, fing Wang wieder an. »Ich habe da nämlich etwas läuten hören, in Zusammenhang mit diesem Hotel. Gestern, als ich Parteisekretär Li im Wagen hatte, wurde er von irgendeinem Vorgesetzten angerufen.«
    »Wie konnten Sie das wissen?«
    »Li hat zwei Mobiltelefone, ein weißes und ein schwarzes. Das weiße benutzt er selten, nur für wichtige interne Gespräche. Ich wette, dass nur wenige Leute diese Nummer haben.«
    »Mag sein. Ich jedenfalls habe nur eine Nummer.«
    »Ich höre sofort an seinem Tonfall, wenn er mit dem weißen Handy telefoniert. Sobald er mit einem dieser Parteibonzen redet, klingt er unglaublich unterwürfig. Das dürfte auch einer der Gründe dafür sein, warum Sie noch immer sein Vize sind, Oberinspektor Chen.
    Bei diesem Gespräch also hat Li das Hotel mehrfach erwähnt, und zwar in Verbindung mit einem Team, das aus Peking kommen soll – so viel konnte ich dem entnehmen, was er von den Bemerkungen des anderen wiederholt hat. Auch Zhous Name wurde immer wieder genannt. Li hat sich allerdings sehr vorsichtig ausgedrückt, es war schwierig, alles mitzukriegen, ohne den Zusammenhang zu kennen. Am Ende hat er gesagt: ›Verstehe. Ich werde Bericht erstatten, und zwar nur Ihnen.‹«
    Auch Chen hatte an diesem Morgen von einem Team gehört, das angeblich von der Zentralen Parteidisziplinarbehörde in Peking entsandt worden war. Niemand hatte sich vorab mit ihm in Verbindung gesetzt. Stand die Ankunft dieses Teams in Zusammenhang mit dem Fall Zhou?
    »Lassen Sie mich bitte an der Kreuzung beim Schriftstellerverband aussteigen«, sagte Chen, der seinen ursprünglichen Plan geändert hatte. »Fahren Sie ruhig zurück ins Präsidium, ich weiß nicht, wie lange ich dort zu tun haben werde.«
    »Ich kann warten. Kein Problem für mich. Sie können mich aber auch jederzeit anrufen, wenn Sie den Wagen benötigen.«
    »Machen Sie sich keine Gedanken, für den Heimweg nehme ich ein Taxi. Und sollten Sie etwas Neues erfahren, so lassen Sie es mich bitte wissen.«
    »Aber natürlich, Oberinspektor Chen.«
    Chen stieg aus und ging Richtung Schriftstellerverband.
    Der Kleine Bao streckte den Kopf aus dem Pförtnerhäuschen neben dem Eingang und begrüßte ihn herzlich.
    »Ich hab ganz frischen Maojian-Tee. Möchten Sie eine Schale mit mir trinken, Meister Chen?«
    Chen hatte nicht wirklich etwas beim Schriftstellerverband zu tun, er hatte sich dort nur absetzen lassen, damit Wang nicht wusste, was er vorhatte. Der Chauffeur war ihm zu geschwätzig. Aber einer Schale guten erfrischenden Tees war er nie abgeneigt.
    »Danke«, sagte Chen, während er mit einem Fuß in die winzige Kabine trat. »Aber wie

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