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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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Volkswirtschaft in Schieflage. Als Zhou Anzeichen für eine Instabilität des Marktes wahrnahm, hat er versucht, diesem Trend entgegenzuwirken. Unglücklicherweise hat er den Frust derer unterschätzt, die sich die heutigen Preise für Wohneigentum nicht leisten können. In der Zigarettenschachtel haben sie einen willkommenen Anlass gesehen, um ihren Emotionen Luft zu machen. Wir können natürlich auch nicht ausschließen, dass manch einer hier eine Möglichkeit sah, dem öffentlichen Bild unserer Partei zu schaden.«
    »Ja, bei den Ermittlungen gehen wir dem selbstverständlich nach«, erwiderte Chen mechanisch.
    »Über Zhous sonstige Probleme während des shuanggui bin ich nicht informiert. Aber wenn das, was bei der Massenermittlung ans Licht kam, wahr ist, dann wurde er zu Recht festgesetzt. Hier in der Behörde war Zhou entscheidungsbefugt und hat die meisten Beschlüsse ohne Rücksprache mit uns gefasst«, erklärte Dang und warf einen beiläufigen Blick auf Chens Visitenkarte. »Wie ich sehe, sind Sie selbst Vizeparteisekretär Ihrer Dienststelle. Dann wissen Sie ja, wie die Dinge laufen. Vieles wurde abgesegnet, ohne dass ich je davon erfahren hätte. Und was die Schachtel 95 Supreme Majesty anbelangt, so hat Zhou eben einfach Pech gehabt. Aber natürlich müssen Sie das Übel an der Wurzel bekämpfen, Oberinspektor Chen. Es ging ja nicht nur gegen Zhou persönlich, sondern auch gegen die Partei. Wir können nicht zulassen, dass die sogenannten Netzbürger derart an Einfluss gewinnen.«
    Chen nickte. Eine solche Forderung von Seiten Dangs war naheliegend. Das Internet durfte nicht unzensiert sein, schließlich konnte Dang selbst sein nächstes Opfer sein.
    »Ich habe noch eine Frage zu dem Foto. Haben Sie eine Ahnung, wer es aufgenommen hat?«
    »Das hat mich Jiang auch schon gefragt«, erwiderte Dang mit einem Seufzer. »Während der Sitzung saßen Zhou und ich zusammen mit weiteren Kollegen auf dem Podium. Es ist also unmöglich, dass während der Rede einer von uns die Aufnahme gemacht hat. Andererseits hatten im Sitzungssaal viele Leute Gelegenheit dazu. Kurz gesagt, Oberinspektor, wir wissen nicht, wer es war. Wir wissen aber sehr wohl, dass Zhou selbst dieses Foto als Anhang einer E-Mail an seine Sekretärin, Frau Fang, geschickt hat, die es zusammen mit der Pressemeldung an die Medien weitergegeben hat. Es wäre sogar denkbar, dass Zhou jemanden gebeten hat, es mit seiner eigenen Kamera aufzunehmen, und dass er es anschließend auf seinen Computer geladen hat. Wenn Zhou es als File von jemand anderem erhalten hätte, würde Jiang den Absender in Zhous Computer auf jeden Fall entdeckt haben.«
    Chen nickte, ihm war der nahtlose Übergang von »Ich« zu »Wir« in Dangs Erklärung aufgefallen, er kommentierte es aber nicht. Bislang stimmten Dangs Aussagen weitgehend mit dem überein, was er bereits von Wei wusste.
    »Es ist wohl überflüssig zu sagen, dass vor dem Skandal keiner von uns Zugang zu Zhous Computer hatte«, fuhr Dang fort. »Und dann hat Jiangs Team ihn samt allen CD s mitgenommen.«
    »Und Zhous Sekretärin hat also mit dessen Einverständnis das Foto zusammen mit der Verlautbarung an die Presse gegeben?«
    »Korrekt«, antwortete Dang und fügte dann hinzu, »soweit mir bekannt ist.«
    »Ist es der Normalfall, dass das Pressematerial von der Behörde ausgewählt oder freigegeben wird?«
    »Alles, was den Wohnungsmarkt betrifft, ist höchst sensibel. Eine unbedachte Bemerkung von einem unserer Mitarbeiter, und bei den Käufern und Verkäufern bricht Panik aus. Deshalb wird bei wichtigen Reden wie dieser die Presseerklärung vor der Herausgabe an die Medien von Zhou persönlich überprüft, ebenso das Foto, das seine Sekretärin anhängt.«
    »Kann ich mit ihr sprechen? Ich meine Zhous Sekretärin.«
    »Fang ist derzeit nicht im Büro. Sie hat sich heute Morgen krank gemeldet. Jiang hat bereits mit ihr gesprochen. Sie sagt, sie habe nur verschickt, was Zhou ihr gegeben hat, und genau seine Anweisungen befolgt. Schließlich ist sie nur seine kleine Sekretärin.«
    »Seine kleine Sekretärin«, wiederholte Chen nachdenklich. Dieser Ausdruck konnte auch bedeuten, dass sie die Geliebte ihres Chefs war, die – in der Regel deutlich jünger als dieser – nominell als Sekretärin für ihn arbeitete. Aber in Weis Akte hatte nichts auf eine solche Beziehung hingewiesen. Chen fragte nicht weiter, und Dang ging nicht darauf ein. Aber Chen erkundigte sich nach dem vollständigen Namen, der Adresse

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