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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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Karriere über ein Päckchen Zigaretten gestolpert war und daraufhin in einen tiefen Abgrund stürzte, aus dem er keinen Ausweg mehr sah.
    »Ich bin froh, dass Sie da sind, Oberinspektor Chen«, begrüßte ihn Jiang herzlich.
    Chen hatte Jiang einige Male bei Sitzungen der Stadtregierung getroffen, war ihm aber nie offiziell vorgestellt worden. Liu stand daneben und lächelte nur. Chen hatte den Eindruck, dass Jiang hier das Sagen hatte.
    »Liu und ich haben bereits mit dem Hotelpersonal von der Nachtschicht gesprochen«, berichtete Jiang. »Niemand hat gestern Abend etwas Verdächtiges oder Ungewöhnliches bemerkt.«
    »In einem so gut bewachten Hotel«, kommentierte Wei, »schlafen die Gäste zu fest, um etwas mitzubekommen.«
    Das Eintreffen der Leute von der Spurensicherung unterbrach das Gespräch. Chen nickte einem Bekannten zu. Der Tatort selbst würde nicht mehr viel hergeben. Jiang und Liu hielten sich bereits seit Stunden hier auf, waren hin und her gegangen und hatten vieles angefasst. Trotz ihrer Erfahrung mit shuanggui -Befragungen waren sie eben keine Polizisten. Außerdem hatten mehrere Hotelangestellte das Zimmer betreten, um bei der Bergung von Zhous Leiche zu helfen.
    Jiang führte Chen und die anderen ins Nebenzimmer, eine eindrucksvolle Suite mit der Nummer 303, in der Jiang residierte.
    Als alle versammelt waren, ergriff Jiang mit der Autorität des Vorgesetzten das Wort: »Da wir zu verschiedenen Zeiten und mit unterschiedlichem Hintergrund an den Tatort gekommen sind, könnten Sie, Hauptwachtmeister Wei, die Fakten für Oberinspektor Chen vielleicht noch einmal zusammenfassen.«
    Sofort begann Wei mit seinen Ausführungen: »Zhou hat vor einer Woche, als das shuanggui begann, hier im Hotel ein Zimmer bezogen und es seither nicht wieder verlassen. Während seiner Internierung herrschte ein streng geregelter Tagesablauf. Er stand gegen sieben Uhr auf, bekam sein Frühstück um acht aufs Zimmer gebracht und sprach dann mit Jiang oder Liu über seine Probleme oder arbeitete in seinem Zimmer an einer Selbstkritik. Mittag- und Abendessen wurden ihm ebenfalls dort serviert. Mit dem Hotelpersonal sprach er nur das Nötigste, und er hat auch keine Anrufe nach draußen getätigt. Besuch durfte er keinen empfangen.
    Heute Morgen hat ein Kellner dann wie gewöhnlich das Frühstückstablett gebracht, aber aus Zhous Zimmer kam keine Antwort. Der Kellner klopfte eine halbe Stunde später noch einmal, wieder ohne Erfolg. Nach einer Weile holte er einen Kollegen, gemeinsam öffneten sie die Tür und sahen Zhou von der Decke hängen.
    Soweit sie sich nach all der Aufregung noch erinnern konnten, gab es keine Anzeichen für einen Einbruch oder einen Kampf, auch schien nichts aus dem Zimmer entwendet worden zu sein.
    Daraufhin weckte man Liu, der im Hotel übernachtet hatte und somit sofort zur Stelle war. Mittlerweile war es 8.45 Uhr. Jiang hatte am vorigen Abend einer späten Sondersitzung der Stadtregierung beigewohnt und war anschließend nach Hause gegangen. Als ihn Lius Anruf erreichte, machte er sich sofort auf den Weg und war in weniger als zwanzig Minuten im Hotel. Gemeinsam besichtigten sie den Tatort. Gegen 9.30 Uhr hat Jiang dann Parteisekretär Li im Polizeipräsidium verständigt.«
    Als Wei seine Zusammenfassung beendet hatte, versicherte Jiang mit Nachdruck: »Wir waren entschlossen, alles zu unternehmen, um den Fall Zhou aufzuklären, ganz gleich, wer dabei die Hände im Spiel hatte. Wir hatten ihn hierhergebracht, um ihn zu verhören, und haben uns ebenfalls hier einquartiert. Aus Sicherheitsgründen wurde dafür gesorgt, dass nur wir drei in diesem Stockwerk wohnten.«
    »Es gilt, die Korruption in der Partei zu bekämpfen«, bekräftigte Liu, »insbesondere bei hohen Parteikadern. Das hat für uns höchste Priorität, daran kann es keinen Zweifel geben …«
    Chen hörte den offiziellen Tiraden nur mit halbem Ohr zu und nickte in scheinbarer Zustimmung wie ein aufgezogener Spielzeugsoldat.
    Wei verlor jedoch langsam die Geduld, er war diesen offiziellen Jargon nicht gewöhnt.
    »Was ist mit dem Band in der Videokamera?«
    »Darauf ist nichts zu sehen. Ich habe es überprüft«, sagte Jiang.
    Liu nippte schweigend an seinem Tee.
    »Wir müssen es uns selbst anschauen«, erwiderte Wei.
    Jiang schwieg.
    »Hat denn in der vergangenen Nacht niemand etwas Ungewöhnliches bemerkt?«, hakte Wei unbeirrt nach.
    »Liu und ich haben bereits mit dem Hotelpersonal gesprochen«, erklärte Jiang. »Und ich

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