Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
Körper abtastete.
«Bericht», forderte sie von Francesca, die ihr heute assistierte.
Eigentlich wusste sie auch so, wie es dem Patienten ging. Doch keine Fragen zu stellen, hätte den Argwohn der anderen geweckt. Niemand würde ihr glauben, dass ihre Sinne mehr erfassten als alle hochtechnischen Geräte zusammen.
Fran, die ihre schwarze Lockenmähne unter einer Haube gebändigt hatte, nickte. Gedämpft durch den Mundschutz zählte sie ihr die Reihenfolge der bevorstehenden Operationen auf. Rebecca erinnerte sich an jeden einzelnen Patienten, seine Ängste, die Schmerzen. Dieses Vertiefen kostete sie Energie, laugte sie aus, doch das war es ihr um das Wohl der Patienten wert.
«Erst der Blinddarm, danach der alte Herr mit dem Leistenbruch von Station 7 und zum Schluss die Frau mit dem offenen Armbruch, die vorhin eingeliefert worden ist. Das wäre alles, wenn nicht noch ein Notfall dazwischenkommt.»
Rebecca nickte. «Dann wollen wir mal loslegen. Craig, wie sehen die Werte aus?»
«Top.» Er zeigte mit dem Finger auf die Skala neben ihm, auf der Puls und Atmung aufgezeichnet wurden.
«Gut. Francesca, Skalpell.»
Rebeccas Anweisungen waren knapp, aber präzise. Sie arbeitete mit höchster Konzentration und hasste es, wenn Kollegen während eines Eingriffs Witze rissen, als säßen sie gemeinsam in einem Pub oder beim Poker. Francesca reichte ihr das Skalpell vom Bestecktisch. Rebecca setzte die Spitze an, um die Bauchdecke zu eröffnen.
Ein langer Nachmittag stand ihr bevor und aus dem Dinner mit Martin würde sicher wieder nichts werden. Sie hatte nur aus Dankbarkeit seiner Einladung zugestimmt.
«Tupfer. Zange.»
«Ist was?», fragte Fran, während sie ihr beides reichte.
«Nein, ich habe nur an Martin gedacht, den ich heute wieder versetzen muss», log sie und seufzte.
Sie wollte jetzt nicht mit Fran über ihre Albträume reden. Und schon gar nicht vor den Kollegen. Craig würde es überall herumposaunen. Er war zwar ein kompetenter Anästhesist, aber die größte Klatschbase im Krankenhaus.
«Wenn du willst, ruf ich ihn an», raunte Francesca ihr zu.
Ein warmes Gefühl stieg in Rebecca auf. Dann meldete sich erneut ihr schlechtes Gewissen, dass sie der Freundin ihre Nephilimnatur verheimlichte.
«Danke, das ist lieb von dir, aber ich mache das lieber selbst», flüsterte sie zurück.
Es war schon weit nach sechs, als Rebecca endlich Martin anrief.
«Rebecca, wir waren doch zum Lunch verabredet. Wieso hast du dich nicht gemeldet?»
«Weil ich die ganze Zeit im OP gestanden habe. Tut mir leid, aber es ging nicht anders.»
Ihr war nicht nach einem Streit zumute.
«Rebecca, so kann das doch nicht weitergehen. Gestern hast du zwölf Stunden im OP gestanden und heute hättest du mittags Dienstschluss gehabt. Wenn du so weitermachst, kippst du noch um.»
Sicher hatte er recht, aber sie konnte einfach nicht anders. Sobald sie zu Hause allein war, begann sie zu grübeln und sich zu beobachten.
«Danke, dass du dich um mich sorgst, aber Arbeit ist bekanntlich noch immer die beste Medizin. Lass uns irgendwann anders essen gehen. Heute bin ich hundemüde.»
Sie stellte sich gerade seine enttäuschte Miene vor und fühlte sich schlecht.
«Und ich hatte gehofft, dass wir nach New York wieder zusammenfinden würden. Stattdessen gehst du mir aus dem Weg.»
Also doch. Die Vorwürfe. Sie wollte sie nicht hören. «Martin, noch mal im Klartext: Ein Uns wird es nicht mehr geben. Wir können gern miteinander essen gehen, aber ich möchte nicht, dass du dir noch irgendwelche Hoffnungen machst. Wir bleiben Freunde, mehr nicht.»
Sie konnte es anscheinend nicht oft genug sagen, damit er endlich begriff.
«Steckt da vielleicht ein anderer Mann dahinter? Ich werde das Gefühl nicht los, dass du in New York jemanden kennengelernt hast.»
Rebecca sah keinen Grund darin, ihn anzulügen. «Ja, habe ich. Aber wir haben uns getrennt. Ich möchte mich jetzt nur meinem Job widmen.»
Aaron! Er bestimmte noch immer ihre Gedanken und Gefühle. Sein Anruf hatte sie mit einer Vorfreude erfüllt, wie es bei Martin nie der Fall gewesen war. Dennoch nagten die Zweifel an ihr, die die Worte der grauhaarigen Fremden in ihr ausgelöst hatten.
«Welcher Mann mag es schon, wenn eine Frau nur an ihren Job denkt.»
Ihre Erschöpfung machte sie gereizt. «Herrgott noch mal Martin, wenn ein Mann nicht akzeptieren kann, wie wichtig mir mein Beruf ist, dann ist er eben nicht der Richtige.»
Am anderen Ende der Leitung wurde es
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