Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
und legte ihr die Klinge an die Kehle. Seine Hand zitterte, und er presste die Kiefer zusammen. Ihre zarte Haut schimmerte im fahlen Licht der Straßenbeleuchtung und erinnerte ihn wieder daran, wie sie in seinen Armen gelegen und er jeden Zentimeter ihres Körpers liebkost hatte.
«Du … musst», raunte er und wäre fast an seinen eigenen Worten erstickt.
Rebecca öffnete die Handtasche und zog es heraus. Mit starrem Blick hielt sie es in der Hand.
«Gib es mir endlich», forderte er.
Sie wirkte plötzlich entrückt und schien ihn nicht zu hören. Er streckte den Arm aus, um das Buch an sich zu nehmen, als er spürte, wie ihr Körper sich aufheizte und wie ein Tauchsieder zu glühen begann. Die Spitze der Klinge, die an ihrer Haut lag, leuchtete rötlich, als würde sie neu geschmiedet werden.
«Aus dem Feuer geboren, zieht er eine flammende Spur. Brennen soll seine Seele», murmelte sie.
Voller Entsetzen sah Aaron auf das Buch hinab, das sofort in Flammen aufging. «Nein!»
Er ließ das Schwert sinken und versuchte, ihr das brennende Buch zu entreißen. Zu spät, das Feuer fraß sich unaufhaltsam durch die vergilbten Seiten, bis es zerfiel. «Was hast du getan?»
Er umfasste ihre Schultern und schüttelte sie.
«Das Richtige», antwortete sie und öffnete die Hand.
Kleine Funken wirbelten durch die Luft, während das Papier in schwarzen Flocken vom Wind aufs Meer hinausgeweht wurde. Rebecca rollte mit den Augen, bevor ihre Knie einknickten. Aaron fing sie auf.
Du musst sie töten, hallte die Stimme seines Vaters in seinem Kopf.
«Töte mich. Lieber sterbe ich durch deine Hand als die meines Vaters», verlangte sie und legte den Kopf in den Nacken.
In seiner Verzweiflung drückte er die Schneide an die zarte Haut ihrer Kehle. Sie sah zu ihm auf. Die Liebe, die er in ihren Augen las, ließ ihn zögern.
Töte sie, Aaron, töte den Nephilim oder diese Welt wird untergehen.
Die Stimme seines Vaters wurde immer eindringlicher und hallte in seinem Schädel. Seine Hand umklammerte das Schwert fester, bereit, es tief in ihre Kehle zu stoßen. Doch seine Gefühle überrollten ihn aufs Neue. Er hörte ihr Lachen, spürte ihre Hände verlangend auf seiner Haut.
Aaron schluckte und kämpfte mühsam gegen die aufsteigenden Tränen. Wenn er sie tötete, würde auch ein Teil von ihm sterben. Der Wunsch Rache zu nehmen, hatte sein ganzes Leben überschattet.
Töte den Nephilim!
Er startete einen weiteren Versuch und schloss die Augen, weil er ihren Blick nicht mehr ertragen konnte. Gleich würde sich die Klinge in ihrem Hals versenken und alles wäre vorbei.
***
Rebeccas Herz krampfte sich zusammen, als sie die Qual in seinen Augen las. Sie spürte den Zorn und Schmerz, die sich in all den Jahren in ihm auf aufgestaut hatten und Rache forderten. Sie fürchtete sich nicht mehr vor dem Tod, im Gegenteil, er würde den unsäglichen Schmerz beenden.
«Worauf wartest du?», flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. «Lass deiner Rache freien Lauf. Töte mich!»
Sie sah, wie seine Hand zitterte. In seinen Augen schimmerten Tränen. Dann ließ er das Schwert sinken und brüllte wie ein Tier.
«Nein! Ich … ich kann es nicht!», schrie er und stieß sie von sich.
Rebecca schlug die Hände vors Gesicht. Es war ihr gleichgültig, dass sie fröstelte. Alles, was sie fühlte, war die Gewissheit, ihn für immer verloren zu haben, und den Schmerz, der sie innerlich zerriss. Sie senkte den Blick, weil sie die Qual in seinen Augen nicht ertragen konnte. Sie hörte, wie er davonrannte, und fühlte sich elend wie nie zuvor. Schluchzend fiel sie auf die Knie und weinte hemmungslos.
Eine Weile verharrte sie auf der Stelle, bis sie sich mit letzter Kraft aufrappelte und zu ihrem Wagen lief. Sie musste fort aus San Francisco, alles hinter sich lassen.
Du fliehst vor deinem Leben, aber vergessen kannst du nie!
Sie wischte sich die Tränen fort und startete den Wagen.
28.
Aaron rannte zu Joels Pick-up. Seine Beine fühlten sich schwer wie Blei. In den Augen seines Vaters hatte er versagt. Uriel würde ihm nie verzeihen. Damit gehörte er nun zu den Ausgestoßenen wie Ariel. Er war ein Renegat, ein Geächteter. Die Jagd auf ihn würde beginnen.
Dennoch würde ihn das nicht daran hindern, die Mission zu beenden. Heute Nacht würde er Seraphiel und den Verkünder vernichten. Und Rebecca?
Er würde sie nicht wiedersehen …
Joel lehnte vornübergebeugt am Kotflügel seines Pick-ups. Beim Näherkommen erkannte Aaron dessen
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