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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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gab es, Toast und Butter, Früchte und Käse, Kaffee und feines Gebäck. Nicht übel für eine Kombüse.
    „Ich habe meinen Koch dabei", ließ er wissen. „Geht nichts über gutes Fressen, mein Lieber!“
    „Stimmt. Obwohl ich auf meinem Trawler meist irgendwas aus der Büchse hatte.“
    „Na ja,“ war der Doc großzügig, „jedem das Seine.“
    Jedem das Seine. Genau.
    Wir saßen auf dem Oberdeck unter einer Persenning, Jeff und Winston zogen einen wohlriechenden Einheimischen durch, während Ignacio und ich missbilligend übers Meer schauten. Innerlich musste ich grinsen. Kein Zweifel, dass ich ein Säufer mit Dealervergangenheit war, der gelegentlich noch immer einen kiffte. Und Schnapser Ignacio war erst clean geworden, als er ins Kloster San Miguel kam, hat er mir selbst erzählt. Und nun saßen wir hier mit Strichmündern.
     
    Burning Spear war in der Bordanlage zu hören, „Live in Paris“, eines meiner Lieblingsalben vom jamaikanischen Rastaguru. Er liebe Reggae, hatte der Arzt verlauten lassen, und besonders Spear habe es ihm angetan. Mir auch, seit vielen Jahren. Was er besonders sympathisch fand. „Weil das ganze Leben keinen Sinn hat, wenn es von negativer Energie geleitet wird. Liebe, Verständnis, Hilfsbereitschaft statt Hass, Egozentrismus und Habgier“. Ich musste ihm recht geben.
    „Nun glaube ja nicht, dass alle Rastafarians Engel sind“, warf Winston ein. „Im Gegenteil – Kingston Ten ist voller Dread, aber auch voller Gewalt - Mord, Totschlag, Raub, Vergewaltigung. Weil rude boys zwar Rasta sein wollen, sich aber in erster Linie ums Geschäft kümmern.“
    „Logisch,“ gab Dr. Jeff zu, „aber der Glaube selbst ist, wie das Christentum auch, eine einwandfreie Verhaltensvorschrift für ein friedvolles Dasein.“
    „Stimmt, Doc,“ musste ich dann doch dazwischen, „aber wer von der Musik her urteilt, der wird zwangsläufig enttäuscht. Denn wie bei Dylan in seiner Christenperiode, wie bei den Beatles mit dem Maharishi und besonders beim sich überfriedlich gebenden Reggaecrooner Gregory Isaacs klaffen Anspruch und Wirklichkeit verdammt weit auseinander. Oft ist es nur eine Phase, die schon längst hinter dem Star liegt, ehe sie von Fans aufgegriffen und befolgt wird, religiös befolgt, sozusagen. Und allzu oft ist es nur Attrappe. Hinter der Maske der Friedlichkeit lauert das Stilett.“
    Winston lachte. „Du kennst deine Rastas, mein Lieber. Alle Achtung.“
    „Zwanzig Jahre Interviews, zwanzig Jahre in Umkleideräumen hinter Bühnen sitzen und zuschauen, was da alles läuft. Zuhören, was einem Bandmitglieder alles erzählen. Das gibt den Schuss Realität, der sonst allzu leicht bei all dem Glanz verloren geht.“
    Jeff freute sich. „Daher kenne ich deine Stimme. Du hast die Radiosendung oben in Pismo gemacht, stimmt´s?“
    Au, Mann, noch nach den vielen Jahren geht sowas runter wie Öl. „Habe ich.“
    „Und ich habe damals in San Luis eine Praxis gehabt, habe in Avila gewohnt und dir dauernd zugehört. Gelegentlich bis mitten in die Nacht hinein. Deine Interviews fand ich immer am stärksten“. Doch ein netter Mensch. Was sagt man dazu?
    Ignacio las mich wie andere Bücher lesen. Der wusste genau, wie mich der Doc um den Finger wickelte. Ich merkte ja auch, dass er schmeichelte, aber ein bisschen Schmeicheln würde doch meine Meinung über ihn nicht ändern. Ich schaute wieder zu den beiden Kiffern rüber.
    „Erzähle mal, wie sie dich ausgenommen haben.“
    „Nicht viel zu erzählen. Ich hatte ein paar Konten, die ich übers Internet unterhielt. Und irgendjemand hat die behackt und mir meine Kohle geklaut.“
    „Na ja, klar. Aber laut Winston ist das eine Geschichte, die vor einigen Jahren begann. Mit ein paar Leuten, die ich auch gut kannte. Den drei Stooges, beispielsweise. Die drei Bundesbullen, die dir zu schaffen machten, haben mich aus San Luis vertrieben. Oder Moreno. Der war lange hinter mir her.“
    Ich schaute Winston an. Der nickte. Ignacio guckte den Doktor verblüfft an. Davon wusste er wohl nichts. Ich war mir nicht sicher, ob ich hier auspacken sollte. Andererseits kannten Winston und Ignacio meine Story genau, waren damals aktive Teilnehmer, die mir halfen, die krummen Bullen und die Drogenbande, die mir ans Leder wollten, kaltzustellen und gleichzeitig auszuplündern. Also keine falsche Scham, sagte ich mir und begann, weit ausholend meine Geschichte zu erzählen. Wie ich einen Toten am Strand fand und eine Telefonnummer anrief, die ich bei dem

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