Aasgeier
mir, den Kopf einzuziehen und wartete. Ich schaute mir die Sandkörner von Nahem an, beobachtete einen Käfer, der aus einem selbstgebuddelten Mini-Sandvulkan auftauchte und mich glatt übersah, bewunderte ihn, wie er im Schatten meines Kopfes erst sicherte und dann entschlossen losmarschierte, die vielen Beine im Gleichschritt, der Panzer in der Sonne bunt schillernd. Aus der Ferne drangen Fahrgeräusche zu uns. Der Wind wehte vom Südwesten her, blies über den Freeway und wirbelte den Wüstensand auf. Ich spielte zehn Minuten tot bis Ignacio rief, dass sich die Sache wohl erledigt habe. Als ich hochschaute, stand er neben dem Wüstenbaum und gab ein prima Ziel ab. Niemand schoss.
Mister Patel schien traurig, uns ziehen zu sehen. Wir versprachen, bald wiederzukommen und dann länger zu bleiben. Er strahlte, nickte und hielt uns die Tür auf. Man konnte förmlich seine Gedanken lesen, als er vor seinem Büro stand und zum Abschied winkte. Solch nette Herren dachte er. Nur schade, dass sie schwul sind.
Nun bin ich ja ein geduldiger Mensch, aber die Rückfahrt nach San Miguel hinter Ignacio in seinem alten Käfer raubte mir doch fast den Verstand. Schön, dass er sich an die Verkehrsregeln hielt – von einem Kirchenmann, der früher Polizist war, erwartet man nichts anderes. Dass er stur rechts fuhr, dass er kein einziges Mal die Geschwindigkeit erhöhte, damit die Lastzüge hinter ihm bleiben konnten und nicht immer trötend überholen mussten, raubte mir den letzten Nerv. Denn ich folgte ihm, also richtete sich der Zorn der Trucker auch auf mich, auch mir galten ihre Drohungen.
Wir kamen rechtzeitig zum Abendbrot an. Ich war heilfroh, den Jeep in die kirchliche Remise stellen zu können. Heute würde ich nicht mehr fahren, und ob ich´s morgen tun würde, war fraglich. Eine Höllenfahrt, die nur ein Mönch aushält, ohne seelischen Schaden zu nehmen.
Ignacio machte sich wegen des Schusses in der Wüste keine Sorgen. „Da oben knallt jeder mal auf eine Bierdose oder eine Klapperschlange. Logisch, dass man abtaucht, wenn ein Schuss fällt. Aber der galt nicht uns.“ Ich war nicht überzeugt, überlegte noch immer, wer auf uns schießen könnte. Genügend Kandidaten hatten sich inzwischen herausgebildet, meinte ich. Nach einer Weile erstreckte sich die Grübelei auf meine ganze Welt. Es gab da einiges zu erledigen. Neue Papiere waren Toppriorität; ich traute meinen alten Ausweisen und Führerscheinen nicht mehr, weil Julie die alle kannte. Also Fälscher Bobby ausfindig machen.
Meinen Sohn sollte ich besuchen – den hatte ich seit Wochen nicht gesehen, und ich nahm an, dass ich ihm genauso fehlte wie er mir. Und ich schuldete Marisol wenigstens einen Anruf. Dann musste ich dringend über die Zukunft nachdenken – so oft schon hatte ich mir vorgenommen, das zu tun, und jedes Mal fand ich eine Ausrede, es zu verschieben.
Ich hatte einen Haufen Geld im Wüstensand verbuddelt. Vielleicht war es Zeit, die Kohle zu holen und irgendwo sicher anzulegen. Im Ausland auf einem Nummernkonto oder über eine Scheinfirma. Ich musste mich erkundigen.
Ich blieb drei Tage, las Mistys Notizen, grübelte und ging spazieren, schrieb auf, was mir einfiel und kam keinen Deut weiter. Also begann ich beim Wichtigsten und bat ich Ignacio, Superfälscher Bobby anzurufen und zu bitten, mir noch mal einen Gefallen zu tun. Ignacio war nicht begeistert, aber er tat´s. Rief einen alten Bekannten an, der bald darauf zurückrief und Ignacio die Telefonnummer des Papierwarenfabrikanten gab.
Bobby war nicht überrascht, als ich ihn am Rohr hatte.
„Hab gehört, du bist wieder abgetaucht. Wer einmal Papiere braucht, der braucht immer wieder andere. Alte Erfahrung.“
„Es ist nur, weil jemand die Namen kennt, die du mir mal gemacht hast.“
„Kannst du gleich durchs Klo jagen, die Dinger. Komme her. Ich mache dir was Schönes. Hast du Geld?“ wollte er wissen.
„Habe ich. Kein Problem. Wo bist du?“
Er gab mir die Anschrift einer Kneipe am Außenrand San Luis Obispos und versprach, mich dort am nächsten Tag zu treffen. Um halb drei. Pünktlich. Ich verstand.
Um drei war er noch immer nicht da. Ich überlegte, ob ich riskieren wollte, noch länger zu bleiben, entschied mich gegen das Risiko und verlangte die Rechnung. Als ich das Geld auf den Tisch legte, stand Bobby von seinem Tisch neben der Ausgangstür des Restaurants auf und hob den Zeigefinger an die Lippen. Ich verließ den Laden, hielt Bobby die Tür
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