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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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höflich auf – ein älterer Herr, immerhin – und ging zu meinem Auto. Er stieg in einen klapprigen Chevrolet Van und fuhr auf die nördlich führende Spur des Highway One. Ich tuckerte hinterher.
    Die Straße mag ja weltberühmt sein, aber sie ist und bleibt ein beschissen konstruiertes, beschissen schmales und beschissen gewartetes Stück Landstraße. Ab Morro Bay wird´s noch enger, ab Cayucos lebensgefährlich. Ich habe früher zwar diesen Abschnitt des Highways fürs Leben gern mit der Harley abgedüst, aber erstens war ich da jünger und zweitens kam mir die Straße damals breiter vor. Ich war einen halben Kilometer hinter Bobby, hatte ein paar Lebensmüde vorbeigelassen und erwartete, dass er irgendwo in Cornwall abbiegen würde.
    Das Kaff war wie geschaffen für einen wie Bobby: klein, wochentags von wenigen Menschen bewohnt, denn die meisten Hauseigentümer kommen am Wochenende aus Los Angeles oder San Francisco an. Und fast jeder Cornwaller hat irgendeinen kalifornischen Tick; da wimmelt es vor Hexen und Zauberern, Animisten, „alten Seelen“, reich gewordenen Hippies, Religionsfanatikern jeder Richtung und ganz einfach Wald-und-Wiesen-Durchgedrehten. Was ja schön ist, malerisch, gut für den Tourismus, aber ganz hundsgewöhnliche Menschen haben dort oft Schwierigkeiten, die Sprache zu verstehen. So abgehoben ist das Leben im pseudoenglischen Städtchen am Meer. Dass der Strand dann auch noch Moonstone Beach heißt, ist eigentlich klar. Fehlen nur die galoppierenden Einhörner im Stadtwald.
     
    Er bog dann auch vom Highway ab, wir kurvten durch dichten Wald und überquerten Lichtungen, hinter denen das Meer schimmerte. Schicke Häuser standen hier, Holzhütten, allesamt, aber Holzhütten vom Feinsten. Gepflegte Gärten, kleine und riesige Grundstücke nebeneinander, kein Bürgersteig, kaum Hausnummern. Sehr unamerikanisch. Gelegentlich kam uns einer auf dem Fahrrad entgegen, knorrige Ältere spazierten auf der schmalen Straße, Hunde liefen überall herum und im Hintergrund donnerte immer der Pazifik. Unaufhörlich. Diesen Teil Cornwalls sah man vom Highway aus nicht. Hier war die Welt wirklich in Ordnung. Bisschen hobbithaft zwar, aber in Ordnung. Bobby hielt vor einer der kleinsten Hütten im Wald. Er machte das Garagentor auf und winkte mich hinein. „Laß dein Auto hier stehen,“ meinte er. „Wo wir hinwollen ist leider sehr wenig Platz.“
    Wir fuhren weiter in Richtung Big Sur. Daß Zebras auf der eingezäunten Wiese gleich hinter der Stadtgrenze weideten wunderte mich kein bißchen. Eine Zebraherde, vom reichen und etwas skurrilen Erbauer des Hearst Castle als lebender Schmuck importiert und auf der weitläufigen Hearst Ranch oberhalb San Simeons ausgesetzt.
     
    Hinter der Einfahrt zum Kapitalisten-Neuschwanstein waren wir die einzigen, die nach Norden fuhren. Zu spät am Tag, noch die Einsamkeit des Big Sur zu riskieren. Vor Einbruch der Dunkelheit kam man nicht mehr nach Monterey. Ich fragte mich, wohin Bobby wollte.
     
    Der Seeelefantenstrand liegt etwa drei Meilen hinter San Simeon, und eine Meile weiter steht der vollautomatisierte Piedras Blancas Leuchtturm. Bobby bog beim Leuchtturmgelände ab, schloß das Gatter auf und fuhr durch. Wir passierten den einst rotweißen, nun fast einfarbig verschissenen Turm und seine Nebengebäude, hangelten uns auf steilem Weg die Klippe entlang und umfuhren im Schritttempo die Felsen am Wasser. Unvermittelt tat sich ein kleines, von der Straße nicht einzusehendes Tal auf, und mittendrin stand ein kunterbuntes Haus, von verkrüppelten, windzerzausten Zypressen umgeben. Unter einem überwältigend steilen Reetdach kauerte ein zweistöckiges Gebäude ohne jede gerade Linie, das aus kleinen, von Brauen überdachten Fenstern den Hof bewachte. Chinesische Lampions hingen in den Bäumen, dazwischen Flugzeugmodelle, ein Ziehbrunnen stand auf dem Vorplatz. Von der rohgezimmerten Holzbank vorm Haus ließ ein weißbärtiger Gartenzwerg die Beinchen baumeln.
     
    Als Bobby das Auto unter einer der Eichen hinterm Haus abstellte, kam der Gartenzwerg um die Ecke. Knickerbocker, seit den Dreißigern in Kalifornien ausgestorben, weiß-braune Golfschuhe, eine schottenkarierte, bunte Strickweste über einem knallgrünen Seidenhemd, weißer Rauschebart, dessen gelbe Streifen auf Kautabak oder starkes Rauchen schließen ließen, in der Hand einen Schäferstab. Ich schaute ihn wohl etwas befremdet an, denn er sagte zur Begrüßung, daß ich auch nicht der Schönste

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