Aasgeier
lang gestreckte Pinte nach Truckerkneipe aussah und stank, dann dadurch, dass die Bedienung meine Eisbecherbestellung mit der Begründung ablehnte, dass die Kühlanlage noch immer nicht repariert und das Eis daher momentan eine Art Warmgetränk sei.
Im Zoo (Casa de los Amigos) standen rachitische Kamele, räudige Büffel und skrofulöse Elefanten lustlos hinter Gittern, der Tierpfleger, der per Kopfbewegung den Weg zu den Affen wies, hatte offensichtlich gerade seinen Frühstückswhiskey gekippt, und der Affenkäfig stand offen. Ein handgeschriebenes Schild gab kund, dass der Affe gestorben sei, und lud Affenbesitzer ein, ihren überflüssig gewordenen Hausgenossen der Geschäftsleitung anzutragen.
Ich war geplättet, aber Ricky fand das alles faszinierend. Und als endlich der Bahnhof auftauchte, da war auch ich begeistert, denn an der offenen Haltestelle stand ein wunderhübsch gepflegter, gelb- und silberglänzender Santa Fe Super Chief im Kinderformat. Ein weißbärtiger Lokführer kniete neben der Lokomotive und schrubbte ein verchromtes Treibrad. Ricky schaute ihn an, entschied, dass der Mann Mexikaner sei, und fragte ihn auf spanisch, ob er mitfahren dürfe.
„Si, naturalmente, niño,“ bejahte der verblüffte Mann. Ich grinste ihn an und fragte, wie viel.
„Es gratis hoy,“ grinste der zurück, „jedenfalls für kleine Jungen, die so schön spanisch sprechen.“
Ich gab ihm also einen Fünfer Trinkgeld, und er packte seine Putzutensilien ein, startete die Lok und tuckerte los. Ricky war anfangs enttäuscht, dass die erwarteten Puste- und Ziehgeräusche ausblieben, verfiel aber bald dem Zauber, der von jeder Eisenbahn ausgeht. Rings ums Gelände fuhren wir, was allein schon mal gute zehn Minuten ging, dann quer durch den Zoo und auf eine Abzweigung, die zum Berg führte.
„El Matterhorn!“
„Si – aber da fahren Sie nicht rein, oder?“ Zwei breite Stalltüren versperrten den Schienenstrang. Er nickte nur, drückte auf einen Knopf am Rande der Bahn und die Türflügel wurden von Geisterhand zur Seite gezogen. Hinein in die Dunkelheit des künstlichen Berges, eine endlose Kehre, und wir fuhren auf der anderen Seite wieder hinaus, zurück in die Wahnsinnswelt des Casa de Promesas. Ich war beeindruckt. Ricky auch. Der strahlte wie die Sonne, die den rieselnden Dreck im Zoo zu goldglänzendem Zauberstaub verwandelte.
Und am Zaun, heftig winkend und ungehört etwas hinüberrufend, stand Marisol.
Ob ich den Kleinen nachher allein mit ihm fahren lassen könne, wollte ich vom netten alten Knaben wissen und steckte ihm einen Zehner in die Brusttasche. Klar doch, meinte der. Er freue sich. Die meisten Kinder, die hier mitfuhren, waren laute kleine Bastarde, meinte er bedauernd, die außer Frechheiten und Popeln noch nichts gelernt hätten. Er würde sich gern um meinen kleinen Sohn kümmern. Ricky war im siebten Himmel. Ob er gleich bleiben könne, wollte er wissen. Erst Papas Bekannte begrüßen, dann vielleicht ein Mittagsschläfchen, und dann könne er. Begeistert war er nicht.
Dafür Marisol umso mehr. Sie konnte vom kleinen Knaben nicht genug kriegen, herzte und küsste, was ihm nach anfänglichem Sträuben recht gut gefiel, und dass sie mich genauso herzte und küsste amüsierte ihn endlos. Wir drei verstanden uns auf Anhieb.
Sie und ich verstanden auch, dass wir nicht lange so herumlaufen konnten. Ich zeigte ihr unser Zimmer, Ricky zeigte ihr sein Beistellbett, sie zeigte sich von allem sehr angetan, und dann begann Ricky zu nörgeln. Er will jetzt Zug fahren, und er will Marisol zeigen, wie schön das ist, und sie muss unbedingt mit, nein, nicht hier Mittagsschläfchen machen, sondern jetzt, sofort, Zug fahren. Was will man dagegen tun? Wir schlossen also bedauernd ab, gingen zum Bahnhof rüber, warteten, bis der Zug zurückkam, die paar mitfahrenden Quengler ausstiegen und dann stellte ich Marisol vor und Ricky durfte vorn sitzen, beim Lokführer, während wir in einem der hinteren Waggons Platz nahmen.
„Marisol, schau mal!“ zeigte mein Sohn, was er vorhin kennengelernt hatte, und „warte, gleich kommt das, wo die Türen aufgehen!“ Marisol staunte bühnenreif, ängstigte sich händeringend und quietschte gelegentlich, damit der Kleine seine Freude hatte. Und kaum waren wir im Matterhorn, da war sie in meiner Hose. So schnell hatte ich den Reißverschluss noch nie aufgemacht bekommen. Ich wollte ihr unter den Rock, aber sie bat mich zu warten. Mister Pillermann war
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