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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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wollen.“
    Milt verstand sofort die Anspielung auf das Loch, das Ignacio dem verrückten Jungbullen zwischen die Augen pustete, als der mir gerade das Licht ausknipsen wollte. Das ging damals durch die Presse, nicht nur in Mittelkalifornien, sondern hatte ein paar Tage lang bundesweiten Nachrichtenwert. „Hehehe“, meckerte Milt. Hatte schon als Schüler eine falsche Lache.
    Na ja. Und ja, danke, mir geht´s gut, und dir? Die üblichen Floskeln zwischen Menschen, die sich nicht riechen können. Ob der junge Mann mein Sohn sei? Natürlich. Ricky, sag schön Guten Tag zu dem Herrn und gebe ihm die Hand, was Ricky partout nicht wollte. Versteckte seine „schöne“ Hand hinterm Rücken und streckte Milt die Zunge raus. Alles lacht, ha, ha, und ich spürte förmlich, wie sehr Milton sich danach sehnte, uns gleich hier am Tisch die Gurgel zuzudrücken. Selten hatte ich Hass als Temperatur empfunden, aber an dem Nachmittag war mir, als vereise die Luft um mich herum.
     
    Und dann war er auch schon wieder verschwunden, „in der Küche nach dem Rechten sehen“, und lasst euch mal wieder blicken. Wir tranken unseren Kaffee aus und standen auch auf.
    „Die Herren waren Gäste des Chefs", meldete der Kellner großzügig, aber davon wollte Ignacio nichts wissen. „Ich bezahle. Bin doch nicht mehr Polizist. Das hat der Boss hier wohl falsch verstanden.“ Der Tätowierte schaute etwas scheel, aber er nahm den Zwanziger, den ihm Ignacio entgegenstreckte. Und steckte den Rest dankend ein.
     
    Wir standen noch ein paar Minuten bei den Autos, unterhielten uns und verabredeten ein Treffen am Wochenende. „Bis dahin habe ich mir was einfallen lassen. Ich sollte sowieso Misty benachrichtigen, muss mit ein paar Bekannten sprechen, und außerdem habe ich ab morgen Vertretungsdienst für einen Kollegen, der eine Woche ins Krankenhaus geht. Treffen wir uns also am Sonnabend im Kloster. Jederzeit, allerdings wäre mir der Abend am liebsten.“ In drei Tagen, also. Bis dahin hatte ich mir auch etwas überlegt, und vielleicht konnte ich meine Mutter dazu bringen, mit Ricky eine kleine Reise zu unternehmen. Denn ich musste ihn jetzt in Sicherheit wissen. Ich musste vermeiden, dass ihm etwas passierte. Ich wurde das böse Gefühl nicht los, dass sich einiges zuspitzte.
    Ignacio bog nach rechts in Richtung Freeway ab, ich nach links zum Tepusquet, aber ich hielt auf halber Strecke zum Gipfel und wartete, um zu sehen, ob mir jemand folgte. Niemand fuhr mir nach, also tuckerte ich gemächlich zurück nach Cuyama, hielt noch ein paarmal und ging mit Ricky spazieren, und war gegen neun wieder im Häuschen. Die Abendtemperatur war endlich unter dreißig Grad gesunken, war bei fünfundzwanzig Grad stehen geblieben, also saßen wir noch eine Zeit lang draußen. Das arme Kind kämpfte verbissen aber vergeblich gegen den Schlaf. Ich trug meinen Sohn ins Bett und legte mich dazu.
     
    Donnerstag und Freitag hatte ich alle Hände voll zu tun, mit dem Kleinen mitzuhalten. Ricky war aufgedreht, konnte nicht genug kriegen, sei es vom Spielen, vom Einkaufen, vom Spazierengehen und im Dorf Kinder kennenlernen oder Pferde anschauen. Das war seine neue Leidenschaft. Pferde angucken. Auf Weiden rings um Cuyama standen sie, eine Pferdezucht war fünf Autominuten entfernt vom Dorf, und kurz vorm Nationalwald, der das Tal nach Südosten hin begrenzte, hatten mexikanische Landarbeiter eine Arena gebaut, in der wochentags Pferde dressiert und am Sonntag Stiere auf unerlaubte, brutale Art ums Leben kamen. Besonders dort zog es ihn hin; er sprach gern mit den Menschen, die dort immer anzutreffen waren, und die ihn bestaunten wie das achte Weltwunder; ein Anglo, weißblond und hellhäutig, der die schönsten spanischen Flüche kannte und sie wie ein mexikanischer Hochseefischer einsetzte.
     
    Wir waren also laufend unterwegs, hatten unseren Plan, den er immer beschleunigte, denn ständig schien er in Eile, mein kleiner Hijo. Kein Wunder, dass er am Freitag noch vor dem Abendessen einschlief und so fest pennte, dass ich ihn nichtmal zum Baden wecken konnte. Also ließ ich ihn schlafen und machte ein paar Anrufe, die mir eh unter den Nägeln brannten.
     
    Erst mal Marisol. Mit ihr wollte ich seit Tagen sprechen, aber entweder war die Zeit nicht richtig oder ich vergaß es. Jetzt, um halb acht, war sie sicher zu Hause. Ich rief sie also trotz der Ermahnungen meiner besser wissenden Freunde übers Mobiltelefon an, denn ich wollte der lieben Frau Holloran nicht

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