Aasgeier
schon seit Stunden geladen und schussbereit. Die paar Minuten im „Berg“ reichten, um einen Warnschuss loszuwerden und schleunigst wieder nachzuladen.
Wir ließen Ricky beim netten Casa de Dampflok-Chef und versuchten, nicht zum Zimmer zu laufen. Fast hätte ichs nicht zum Bett geschafft. Ihre Kleidung lag mit meiner vermischt an der Tür, im Vorraum, auf den zwei Metern zum Bett und die letzten paar Stücke zwischen Laken, Decke und uns. Wir machten die Geräusche, die Ricky beim Zug vermisst hatte, wir kämpften gegeneinander, drückten und stießen, wälzten und traten, rieben, streichelten und schluchzten. Selten haben sich zwei Menschen zusammengefunden, die es so nötig hatten. Ich war völlig gerädert, sie auch. Das Ganze hatte nichtmal zehn Minuten gedauert.
Zum Glück, denn mein Sohn klopfte plötzlich. Marisol floh ins Bad, ich schloss die Tür auf, und der Kleine sagte strahlend, dass der Zug ganz toll gewesen sei, und jetzt will er mit Marisol und mir ins Kino. Womit der vergnügliche Teil des Tages begann.
Sie spielten irgendwas von Disney, mit viel zu bunten Viechern, die viel zu lasch auf der Leinwand agierten. Wir drei stellten fest, dass wir keine laschen, bunten Viecher mochten und gingen nach einer halben Stunde aus dem kaum besuchten Vorführraum in den Sonnenschein zurück. Marisol war über den Berg vom San Juaquin Valley hergefahren und schlug vor, den See zu besuchen, den sie kurz vor dem Casa de Irgendwas gesehen hatte.
Wir fuhren also im Nachmittagssonnenschein Elektroboot, aßen Hot Dogs, die vom stundenlangen Ziehen im heißen Wasser recht faltig waren, sonnten uns eine Weile in einer einsamen Bucht, wo Marisol ihre Bluse auszog und Ricky gelegentlich darüber kichern musste – er hatte einige Male mit einem Vierjährigen von nebenan in Pismo den Kindergarten besucht und dort erfahren, dass der weibliche Busen tabu sei und daher gekichert werden musste, wenn einer freigelegt wurde -, ich tauchte und holte flache Steine vom Seeboden hoch, die mein Sohn übers Wasser hüpfen lassen konnte.
Wir waren eine richtige kleine Familie, nach langer Zeit wieder mal. Ricky genoss das genauso wie ich, stellte ich fest. Und ich freute mich darüber.
Am Sonntag saßen wir drei nochmal im Zug, gingen nochmal in den Zoo und ich fuhr hinterher, als Marisol und Ricky wieder zum See fuhren. Wir mieteten das Boot vom Vortag, fuhren an die Bucht, Ricky und ich tauchten, während sich Marisol einen Sonnenbrand auf dem von mir während der Nacht mehrmals leise beanspruchten Busen holte; die Nacht hatte mich an meine Jugend erinnert, wo man alles sehr leise und heimlich machen musste, weil immer jemand da war, der aufwachen und ein Geschrei veranstalten konnte. Aber wie damals klappte die Heimlichtuerei trotzdem. Man muss nur wollen.
Wir trennten uns am späten Nachmittag. Ricky hatte sich gefreut, dass er mit Marisol schon vorfahren durfte, während ich ein paar Sachen erledigte und bald nachkommen würde. Ich versprach, jeden Tag anzurufen. Sie versprach, ihn ein paarmal mit ins Kino zu nehmen, aber nicht in solch lahme Filme wie im Casa de Hollywood. Er versprach, lieb zu sein, alles zu essen, was sie ihm anbot, sich immer schön zu waschen und mir zu erzählen, was er alles gemacht hatte. Dann verabschiedeten wir uns. Ich schaute den beiden lange nach, wischte ein paar Tränen weg und fuhr zurück nach Cuyama.
Hatte wohl vergessen, die Tür abzuschließen. So was! Als ich meinen Schlüssel ins Schlüsselloch stecken wollte, ging sie auf. Ich trat vorsichtshalber zur Seite und horchte erst mal, ob nicht zufällig jemand atmete, furzte oder Kaffee kochte. Aber nichts war. Also trat ich ein. Es war kurz vor Mitternacht.
Ich drehte den altmodischen Lichtschalter neben der Wohnzimmertür. Im Sessel am Kamin saß ein Dicker und grinste mich an.
„Mensch, Winston, wo kommst du denn her?“ Er lachte nur.
23 Lauter Listen
Strahlend kam er mir entgegen. Mitten im Wohnzimmer umarmten wir uns. War wirklich eine freudige Überraschung, meinen jamaikanischen Freund hier anzutreffen. „Und ganz ohne deine beiden Greifer?“
„Die zwei sind draußen und passen auf, dass uns keiner stört.“
Ich setzte Kaffee auf. Wir stellten uns neben die Maschine, weil wir beide eine Tasse wollten und ungeduldig aufs Ende der Tropferei warteten.
„Was gibt´s?“
Er machte eine Wegwerfbewegung. „Nur Scheiße zurzeit. Ich habe mit meinem Geschäft soviel Ärger,
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