Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
in Stuben leider immer noch keine Pistenraupen, und wir mussten (wie schon mein Vater und seine Kollegen) für die Anfänger die Piste selber platt treten. Wenigstens hatten wir aber einen kleinen Schlepplift, so dass man die Berge nicht wieder rauflaufen musste.
Damals war meine Zukunft noch völlig offen, es gab für mich zwei Möglichkeiten: Entweder ich würde ein professioneller Skirennläufer werden oder – wie schon mein Vater und meine Geschwister – Skilehrer. Die Profilaufbahn war nicht abwegig, denn bereits seit meinem 18. Lebensjahr war ich Mitglied im Skiclub Arlberg und ein großes Talent. Mein Vater hegte diesen Wunsch schon lange und schenkte mir mein erstes Paar »Kneisel«-Ski, das er sich vom Munde abgespart hatte. Bis dahin hatte ich die ausrangierten Bretter seiner Gäste bekommen, doch die waren immer noch gut genug, um damit für meinen Club Rennen zu fahren. Mir konnte man im Prinzip alles unter die Füße schnallen … Auf den Turnieren versammelte sich die Crème de la Crème des Skilaufens: Egon Zimmermann, Gerhard Nenning, Karl Schranz, Hugo Nindl und viele mehr gingen an den Start, eine starke Konkurrenz, die mich anspornte, und ich landete meistens auf den vorderen Plätzen.
Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit mir, ich sollte wohl kein erfolgreicher Rennfahrer werden, nach einem schlimmen Sturz erlitt ich einen offenen Unterschenkel- und Schienbeinbruch, was mich um Jahre zurückwarf. Zudem mangelte es ständig am nötigen Kleingeld, und Sponsoren oder Firmen, von denen wir Geld oder Skier bzw. Kleidung bekommen hätten, waren in jenen Jahren auch nicht in Sicht. Alleine aus diesem Grund musste ich meine große Rennleidenschaft an den Nagel hängen. Ein weiterer war sicher mein mangelnder Ehrgeiz, denn ausschließlich für Ruhm und Ehre und ein paar trockene Hauswürste wollte ich das harte Training nicht auf mich nehmen. Hinzu kam die fehlende Disziplin, denn im Laufe der Zeit sollte sich zeigen, dass meine Talente am Tresen und im Arlberger Nachtleben meinen Skikünsten in nichts nachstanden. Frauen und Partys fesselten mich immer ein wenig mehr als Preise und Pokale. Außerdem erfüllte mich die Arbeit als Skilehrer, und so begann ich nach Hilfsskilehrer- und Landesskilehrerprüfung endlich mit der lang ersehnten Ausbildung zum staatlich geprüften Skilehrer.
Ich blieb der Skischule Stuben treu, obwohl mein Vater, meine beiden Brüder und meine Schwester in der Zürser Skischule beschäftigt waren. Die Familie Mathies war die einzige Familie in ganz Österreich, von denen fünf Mitglieder gleichzeitig als Skilehrer unterrichteten. Doch das feine Zürs blieb mir weiterhin verwehrt. Gerne hätte ich dort als Skilehrer gearbeitet, weil man dort natürlich viel besser verdienen konnte. Aber der Vorstand der Skischule Zürs war der Meinung, ich solle unten in Stuben bleiben. »Wir haben in Zürs genug Skilehrer, und in Stuben braucht man auch gute Leute.« Somit war das Thema erledigt. Ich fügte mich in mein Schicksal und widmete mich meiner dreijährigen Ausbildung.
Natürlich konnte ich Skifahren und war auch in der Lage es anderen beizubringen, aber der Titel »staatlich geprüfter Skilehrer« war der Meistertitel, der mir fehlte. Neben dem umfangreichen Praxisteil, der die verschiedenen Techniken beinhaltete, musste man auch eine theoretische Prüfung ablegen. Ich büffelte unter anderem Anatomie, Berg- und Lawinenkunde, lernte eine Gruppe zu führen und verschiedene Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Verletzungen. Da meine Englischkenntnisse ganz passabel waren, musste ich nur Französischunterricht nehmen, da hatte ich ja auch erhebliche Defizite. Nach drei Jahren beendete ich unter der gestrengen Leitung von Herrn Professor Kruckenhauser meinen Skilehrerlehrgang erfolgreich. (Danach folgte die einjährige Ausbildung zum Skiführer, die mit einer Bevollmächtigung auch zum Winterbergführer endete.)
Ich war jetzt ein echter Skilehrer und widmete mich nun meiner »Fortbildung«, die ich bereits parallel zur offiziellen Ausbildung begonnen hatte. Es folgte der nächste entscheidende Schritt zum Erfolg:
Bevor es auf die Piste geht, brezelt man sich auf!
Also ließ ich mir einen ganzen Sommer lang die Haare wachsen, und in der darauf folgenden Wintersaison sah ich wirklich verwegen aus. Ohne es zu ahnen, hatte ich damit den Grundstein für meine Berühmtheit gelegt. Als ich im Skilehrerdress mit schwarzer Sonnenbrille und üppigem Schnauzbart auf dem Sammelplatz vor der
Weitere Kostenlose Bücher