Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
den demolierten Zaun als auch den Schaden am Auto bezahlte und mir den Weg für eine Karriere der besonderen Art ebnete.
Swinging Sixties in Stuben
»Kennt ihr den Unterschied zwischen einem Skilehrer und einem Krokodil? Es gibt keinen! Kleines Hirn, großes Maul und alle Kraft im Schwanz!«
Solche und andere Witze kenne ich zur Genüge. Das mit dem Hirn stimmt natürlich nicht! Aber so ist es mit allen Klischees über uns, etwas Wahres ist immer dran – und das soll auch so sein, schließlich haben wir für diesen Ruf hart gearbeitet. Also weiter mit dem exklusiven Einblick in meinen Alltag als Skilehrer. Nach Schlosserlehre und Hilfsskilehrerausbildung wartete nun der wichtigste Lebensabschnitt auf mich. Es wurde Zeit für den nächsten Schritt, denn dass ich ein richtiger Skilehrer werden wollte, stand ja schon lange fest. Nach der offiziellen Skilehrerausbildung mit staatlich geprüftem Abschluss begann die Verfeinerung der inoffiziellen Fertigkeiten: flirten, feiern, trinken. Aber schön der Reihe nach. Beginnen wir Anfang der 1960er Jahre mit diesem wilden Jahrzehnt. Aber Vorsicht: Allen, die nach unserer gemütlichen Plauderstunde spontan beschließen: Ich will auch Skilehrer werden! , denen sei gesagt, die Zeiten haben sich geändert. Ich habe meine Ausbildung in den 1960er Jahren gemacht, und die 1970er und 1980er waren goldene Zeiten. Typen wie uns findet man heute nicht mehr. Falls doch, würde ich sie gerne kennenlernen.
Man muss sich meine Heimat zu jener Zeit als einen Ort mit etwa 20 Häusern, drei Hotels und ungefähr 400 Betten vorstellen. Das Zimmer mit Vollpension kostete im Schnitt 140 Schilling, die Speisen waren einfach und typisch österreichisch. Wenn die Gäste der höher gelegenen Nobelorte mit dem Taxi durch Stuben kamen, würdigten sie es meist keines Blickes, denn hier und auf den Stationen war alles etwas primitiver, Holzterrasse und Selbstbedienung, aber auch uriger.
Ab 1956 führte eine Sesselbahn von Stuben hinauf auf die südlich des Orts gelegene Albona, einem reinen Skiberg. Oben angekommen empfing ein Einheimischer mit freundlichen Worten den Gast und half ihm aus dem Sessel. Am Nachmittag versammelten sich die Skifahrer zum Bier oder Cocktail in Stuben an derben Holztischen im Hotel »Mondschein« oder in der »Post«. Die Auswahl war nicht besonders groß, und viele nahmen sich ein Taxi, um in den Nachbarorten weiterzufeiern. Für die Bergler waren die Partygewohnheiten der Gäste (und Skilehrer) oft befremdlich – kein Wunder, wenn man sich vor Augen hält, dass in Vorarlberg bis in die 1960er Jahre das Tragen von Bikinis und Zeitschriften wie Bravo , Stern oder Quick verboten waren.
Zwar befanden wir uns mitten in den »wilden« 1960er Jahren, die für viele bis heute mit Begriffen wie Studenten- und Friedensbewegung, Hippies und Flowerpower, sexuelle Revolution und Minirock verbunden sind. Es gab die freie Liebe, Drogenexperimente und Proteste gegen die konservative Einstellung der Eltern. Aber nicht in Vorarlberg. Hier war diesbezüglich die Zeit nicht nur stehengeblieben, sie schien sogar rückwärtsgewandt zu sein: 1962 wurde das öffentliche Twisttanzen in unserem schönen Bundesland untersagt. (Was für mich nicht ganz so schlimm war, ich tanzte lieber Rock ’n’ Roll.) Der erste offizielle Archivar des Vorarlberger Volksliedarchivs, Josef Blitsche, bekannte 1961: »Tanz, das war bei uns immer etwas, dem der Makel – sagen wir es einmal ganz offen – des Sündhaften anhing.«
Zu dieser Zeit schickte ich mich also an, Partykönig und Casanova am Arlberg zu werden. Dazu wäre mir der Nobelort ein paar Höhenmeter weiter oben lieber gewesen, denn da fand schon ein paar Jahre zuvor, 1952, im Zürser Hotel »Alpenrose« eine Tanzveranstaltung mit dem Titel »Ball im Harem« statt, die so anrüchig schien, dass sie von zwei Gendarmen überwacht wurde, die anschließend einen ausführlichen Bericht an den Landesamtdirektor schickten. Das hätte mir gefallen! Doch ich hatte von meinen Eltern striktes Haremsverbot.
Zunächst durfte ich nur als Hilfsskilehrer mein Unwesen treiben, aber der Titel war mir vorläufig nicht so wichtig wie das eigentliche Skifahren am Arlberg. Ich genoss von morgens bis abends jede Sekunde und freute mich, wenn meine Gäste vom ungelenken Stemmbogen so langsam in den eleganten Parallelschwung kamen. Immer streng darauf achtend die Kruckenhauser-Technik exakt anzuwenden und meinen Schülern das perfekte Wedeln beizubringen. Damals gab es
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