Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
konnten. Gott sei Dank gab es ein paar unverwüstliche Freunde und Kollegen, die dazu beitrugen, dass Frust und Trübsal nicht Überhand nahmen.
Diese Saison war gelaufen, die Aufräumarbeiten dauerten mehrere Wochen. Auch nach Jahren noch Grund genug, allen Skilehrer(innen) der Skischulen Oberlech, Lech und Zürs für ihre tatkräftige Unterstützung meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Selbstverständlich gilt ein besonderes Dankeschön den Skilehrern aus Stuben, die zehn Tage von früh bis spät ohne Lohn halfen, die Spuren dieser Katastrophe zu beseitigen.
Als sich der Frühling ankündigte, schöpften wir wieder Hoffnung. Bis zum nächsten Winter würde Gras über das Unglück wachsen und der Schreck hoffentlich vergessen sein, denn schließlich lebten wir vom Wintersport, und der kam eben ohne Schnee nicht aus.
Auf dem Sprung
Dass die weiße Pracht nicht nur Freude bereitet, habe ich in meiner langen Skilehrerkarriere leider häufig erleben müssen. Nicht nur die gewaltigen Tallawinen richten großen Schaden, oft ist es eine kleine Hanglawine, die einem oder mehreren Skifahrern zum Verhängnis werden kann, und dann zählt jede Sekunde.
Ich war mit meinen Gästen an der Mittelstation der Albona angekommen, es herrschten super Schneeverhältnisse, und wir wollten noch einmal hinauffahren.
Ich stieg, gefolgt von meinen Schülern, in den Einersessellift der Bahn und schwebte dann über die breite Piste nach oben. Mein Blick schweifte über die Berghänge, schon immer liebte ich die Fahrt mit Lift und Gondel durch die verschneite Bergwelt. Es war still, nur die Seilzüge und Rollen surrten leise. Die Berghänge rings umher lagen voller Schnee, hier und da sah man einen versierten Skifahrer, der abseits der Piste das Tiefschneevergnügen genoss. Doch plötzlich stutzte ich. Ein Skilehrer, unterwegs mit einer Gruppe von acht Personen, querte unterhalb der Mulde Albona einen Hang. Und im selben Augenblick löste sich eine Lawine, und ich sah, wie drei Personen mitgerissen wurden. Zwei davon blieben an der Oberfläche und waren nur zum Teil verschüttet. Aber wo war der Dritte? Ich wartete, bis die Schneemassen zum Stillstand kamen, dann versuchte ich die Situation zu überblicken, konnte aber wegen des Schneestaubs nichts sehen.Der Sessellift glitt langsam weiter, ich blickte nach unten und nahm Maß: Sechs, vielleicht sieben Meter, darunter Pulverschnee, das konnte ich riskieren. Einer meiner Gäste in der Gondel hinter mir schaute ungläubig herüber und rief: »Willi, du willst doch nicht …?«
Doch, ich wollte da runterspringen, denn eine andere Möglichkeit gab es nicht, so schnell wie möglich an den Ort des Unglücks zu gelangen. Drei Menschen waren verschüttet, ich hatte es gesehen und konnte nicht warten, bis der Lift an der Bergstation ankam, das würde viel zu lange dauern. Ich öffnete den Sicherheitsbügel. Einige Skifahrer vor und hinter mir im Lift schüttelten den Kopf, doch was konnte mir passieren? Auf einen Beinbruch mehr oder weniger kam es nicht an, und drei gerettete Menschenleben waren es wert, ein paar Wochen mit einem Gips herumzulaufen (oder einbeinig Ski zu fahren). Ich hatte schon in ganz anderen Situationen meines Lebens nicht nachgedacht, diesmal wusste ich genau, was ich tat: Ich sprang und landete sanfter, als ich angenommen hatte.
Während ich auf die Lawine zufuhr, auf genau jene Stelle, wo ich die drei zum letzen Mal gesehen hatte, sah ich zwei Personen oben auf der Lawine liegen – von der dritten fehlte jede Spur. Die beiden hatten, abgesehen von einem ordentlichen Schock und ein paar Prellungen, großes Glück gehabt. Ich fuhr die Lawine ab, und nur durch Zufall erblickte ich einen Schuh.
Josef, ein Liftboy, der an einer Liftstütze arbeitete, kam sofort mit einer Schaufel herüber, und wir konnten den Mann aus den Schneemassen befreien. Sofort verständigte ich Sepp über Funk: »Wir brauchen einen Helikopter, der Verunglückte hat bestimmt 15 Minuten unter den Schneemassen gelegen. Er ist bewusstlos!« Ich begann sofort mit der Reanimation und hatte glücklicherweise auch Erfolg. Kurz drauf landete der Helikopter, der Patient wurde verladen und nach Innsbruck in die Klinik geflogen, wo er ein paar Tage im Sauerstoffzelt verbringen musste. Nun lag sein Schicksal in den Händen der Ärzte. Und ich würde meine Arbeit wieder aufnehmen.
Meine Gäste waren in der Zwischenzeit von der Bergstation der Albona abgefahren und bei mir am Lawinenkegel angekommen. Nur eine
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