Ab ins Bett!
öffnen sich, schimmern grün in diesem Licht. »Hy-pnotherapie«, sagt sie und rüttelt sich für einen Moment wach. »Hast düs schon mal damit versucht?«
»Ja. Hat nichts geholfen, aber ein Vermögen gekostet.«
»Ich habe eine Freundin. Alison. Die ist Hypnotherapeutin. Ich bin sicher, sie kann was für dich tun. Und sie berechnet dir nicht viel.«
»Nun... danke. Aber ich glaube nicht, daß es klappt. Die, bei der ich war... ich fiel einfach nicht in Trance. Was wahrscheinlich damit zu tun hat, daß ich schlafgestört bin.«
»Alison ist besser.«
»Jaja.«
Wie zwei schwebende Federn fallen Dinas Augenlider zu.
»Du...« sagt sie, kommt mit der Hand unter der Decke vor, streicht mir sanft übers Gesicht und zieht mir mit den Fingerspitzen die Brille über die Augen, »... du bist sehr stolz auf deine Schlaflosigkeit, stimmt’s?«
»Nein, ich bin... ich bin... also gut. Ich geh hin. Aber weißt du... komm doch mit und guck zu, dann wirst dus selbst sehen. Ich glaube wirklich nicht, daß es bei mir klappt. Man kann mich nicht in den Schlaf reden.«
Aber Dina kann es.
17
Alison Randolph wohnt in Streatham, und wäre mir das vorher klar gewesen, hätte ich mich nie einverstanden erklärt, zu ihr zu gehen. Wissen Sie, Streatham liegt in Südlondon, und da ich meine ganze Kindheit damit verbracht habe, im grünen Norden Londons aufzuwachsen, sträubt sich alles in mir dagegen, die Brücken nach Süden zu überqueren, eine Tatsache, die nicht unbedingt dadurch abgemildert wird, daß ich beim ersten Mal, als ich mich im Alter von dreizehn tatsächlich über die Themse hinauswagte, verdroschen wurde. Ich stand am Flußufer und wartete auf einen Freund, mit dem ich in die Tate Gallery gehen wollte — ja, so ein Schnösel war ich, schon damals. Da ich eine halbe Stunde zu früh war, übermannte mich plötzlich der Drang, was von der Welt zu sehen, und ich wanderte über die Vauxhall-Brücke. Sowie ich meinen Fuß ans andere Ufer setzte, sah ich meinen Fehler ein: Ich war nicht mehr in London, ich war in einer Episode aus Die Profis. Es gab keine Häuser, nur riesige rostige Eisenbahnbrücken und kleine enge Gassen; der Verkehr schien sich nicht mehr in zwei Richtungen zu bewegen, sondern in fünf; was an Fußgängern vorhanden war, und das war sehr wenig, tauchte in beigen Dralonanzügen hastig aus irgendwelchen Schatten auf und verschwand wieder in ihnen; alle waren, ganz offenkundig, auf dem Weg irgendwoanders hin; und es roch wie... wie Steven Moorer, ein Junge aus meiner Klasse, der das bedauerliche Opfer irgendwelcher fehlgeleiteter Gene war. Er war nicht etwa mongoloid — nein, seine Krankheit hatte keinen Namen -, sondern einfach auf unerklärbare Weise verkehrt gebaut und wurde als Folge davon jeden Tag gehänselt - es roch wie sein Haus. Wie ein verlorengegangener Dreikäsehoch in die Arme seiner weinenden Mutter stürzte ich über die Vauxhall-Brücke zurück nach Pimlico, wo ich und mein Freund später an jenem Nachmittag auf dem Weg zur Underground-Station von einer Gang Skinheads fürchterlich zusammengeschlagen wurden.
Ich weiß, ich weiß, genau genommen wurde ich in Nordlondon verdroschen. Aber diesem Grund und Boden gab ich nicht die Schuld, als sich meine Nasenspitze unter dem Gewicht eines sechzehnlöchrigen Schnürstiefels in ihn bohrte. Das war meine Strafe fürs Streunen; meine Revierverletzung war mir offenbar an der Nase anzusehen.
Seit damals war ich so oft gezwungenermaßen in Südlondon, daß ich einsehen mußte, daß die Eindrücke, die ich von der Gegend gespeichert hatte, und die alle mit der Düsterkeit jenseits der Vauxhall-Brücke zu tun hatten, vielleicht ein bißchen einseitig waren, vielleicht doch eher das Ergebnis eines klopfenden dreizehnjährigen Herzens, das sich plötzlich sehr weit weg von zu Hause fühlt. Doch als ich und Dina in einem dieser ruckelnden British Railway-Züge, die in einem Paralleluniversum zur Untergrundbahn zu operieren scheinen, über die Themse schaukeln, habe ich immer noch das sichere Gefühl, daß der Himmel sich zu senken beginnt und von fern Musik von den Jaws zu hören ist.
»Wieso ist der Fluß bloß so schrecklich grau?« sagt Dina, als sie aus dem schmalen Schiebefenster hinunterguckt. »Ich bin sicher, als ich fortging, hatte er eine andere Farbe.«
»Und ich bin mir sicher, am Anfang dieser Brücke hier hatte er noch ’ne andere«, sage ich unglücklich.
»Hör einfach zu... hör auf den Klang meiner Stimme und entspanne dich.
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