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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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Alles andere ist unwichtig. Lausche meiner Stimme und fühle, wie das Gewicht deines Körpers langsam in die Couch sinkt. Dir ist warm, du bist geborgen, du hast keine Sorgen.«
    Wie kann sie so was sagen, wenn draußen vor dem Fenster Streatham ist? Alisons Wohnung liegt über dem Poundsavers-Supermarkt in der High Road, und obwohl sie sich angestrengt hat, eine Kokon-Atmosphäre zu schaffen - warm, rötliches Licht, türkische Teppiche an den Wänden, ein tropisches Aquarium in einer Ecke -, richtet das esoterische Musikgeplätscher aus dem irgendwo verborgenen CD-Spieler nichts gegen den kreischenden Verkehrskrach da draußen aus.
    »Laß die Augen geschlossen - aber versuche, in deine Augenlider zu gucken. Sieh in die Dunkelheit.«
    Sie spricht, wie ich mir schon dachte, im abgehackten Takt der Hypnotiseure, in den sich hin und wieder ein schottischer gutturaler Schnarrton mischt, der sich verstärkt, als sie glaubt, es sei ihr gelungen, mich in Trance zu versetzen: Vielleicht denkt sie, ihre Stimme ist wie Whisky, ein Rauschmittel.
    Als sie uns unten in ihrer Haustür direkt neben dem Supermarkt begrüßte, war Alison eine stämmige, rothaarige Frau mit einem rauhen Lachen, wobei sie den Mund aufriß und den Kopf zurückwarf wie eine Robbe - die uns Zitronentee machte und ironisch eine alte Taschenuhr herumschwang. Jetzt ist sie ganz innere Ruhe und gemessene Töne.
    »Entspann dich weiter, fühle wie sich deine Zunge vom Gaumen löst, ganz locker wird und hinter deine Zähne rutscht. Fühle, wie deine Fingerspitzen ganz allmählich vom Rest deiner Hand wegzugleiten beginnen. Fühle, wie sich der Punkt, wo du auf dem Kissen ruhst, hebt und dein Kopf ganz leicht wird, in die Luft schwebt, frei von Gedanken. Wie ein Ballon — stell dir vor, dein Geist ist ein Ballon. Und deine Gedanken sind Gewichte, die du eins nach dem andern über Bord wirfst.«
    Dina sitzt auf einem dreifarbigen - braun, rot und orange -viktorianischen Sessel neben dem Aquarium und guckt zu. Sie und Alison waren Schulfreundinnen und sind durch Briefe in Kontakt geblieben, etwas, was mir bei noch niemandem gelungen ist; die Briefe müssen gut gewesen sein, denn erst mal begrüßten sich die beiden überschwenglich, was bei Brieffreundinnen allerdings nicht weiter verwunderlich ist, aber als das ganze Umarmen und Küssen und geshrie, wie fantastisch die andere aussähe, vorüber war, waren sie so vertraut und unverkrampft miteinander, wie man es bei Brieffreundinnen eigentlich nicht erwartet. Als wir in Alisons winziger Resopal- und Plastikküche standen und ich die Standardfragen beantwortete — Wie lange schläfst du normalerweise? Was ißt du? Was ist deiner Meinung nach das Problem? Hast du Baldrian probiert? —, warfen die beiden sich Blicke zu, wie sie Freundinnen eben wechseln, die sich auch ohne Worte verstehen; vielleicht kommt das ja bei einem guten Briefwechsel heraus.
    »Du stemmst dich dagegen, nicht wahr?« sagt Alison, immer noch in ihrem Tick-tack-Rhythmus.
    »Nein«, sage ich und kneife die Augen zu.
    »Doch, du wehrst dich. Mach dir keine Sorgen darüber, wie gut du entspannst. Versuch nicht abzuschätzen, wie locker du bist. Wäre es dir lieber, Dina ginge hinaus?«
    Alison war von Anfang an skeptisch gewesen, ob es gut sei, wenn Dina bei der Sitzung im Zimmer blieb, genau wie Dina selbst, aber ich will sie dabeihaben.
    »Nein. Sie soll bleiben.«
    Ich öffne die Augen einen so winzigen Spalt, als hätte ich Angst, dabei ertappt zu werden, und durch den hauchdünnen Lichtstreifen sehe ich die beiden einen dieser Blicke wechseln.
    »Also gut«, macht Alison weiter. »Denk ans Atmen. Befreie deinen Kopf von allem, außer dem Klang deines eigenen Atmens.«
    Dergleichen habe ich schon oft gemacht, im Bett: ein Vakuum in meinem Kopf geschaffen und auf meinen eigenen Atem gelauscht - ein Geräusch wie der durch eine Geisterstadt fegende Wind. Aber all solche Gedankenspiele haben ihre Tücken: wenn sie nicht funktionieren, das heißt, man nicht dabei einschläft, wird alles nur noch schlimmer, und am Schluß führt man einen verzweifelten Willenskampf gegen das eigene Bewußtsein, das anfängt, die in deinem Hirn errichtete Backsteinmauer so lange mit Gedankengeschossen zu bombardieren, bis sie einstürzt. Irgendwas in dir will einfach nicht, daß du über längere Zeit auf deinen eigenen Atem hörst, vielleicht weil dir, ohne andere Gedanken als Bollwerk dagegen, am Schluß der Monstergedanke kommt, an den Zeitpunkt, wenn das

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