Ab ins Bett!
meine Worte. Drei: Komm nicht ganz aus der Trance, aber spüre, wie du wieder Herrschaft über deinen Körper gewinnst. Zwei: Bleib entspannt, aber betätige deine Muskeln wieder selbständig. Eins: Mach die Augen auf.«
Als ich mich einige Zeit und vier Gänge zu Alisons mit Postkarten tapezierter Toilette später wieder auf die Couch lege, sage ich, »Alison? Hast du allen Ernstes vor, mich in den Schlaf zu hypnotisieren?«
»Sich von dir ihre Couch einnässen zu lassen, hat sie jedenfalls bestimmt nicht vor«, sagt Dina mürrisch.
»Ist es meine Schuld? Daß meine Blase losläßt?« brumme ich zurück und gucke Alison an.
»Nein«, sagt sie, nicht sehr überzeugend. »Natürlich nicht. Aber um fünf kommt mein nächster Patient.«
»Wie spät ist es jetzt?« fragt Dina.
»Zwanzig vor.«
»Schaffst du es bis dahin?«
»Ich weiß nicht. Nicht, wenn er wieder auf den Lokus muß.« Das kehlige schottische Schnarren hat sich inzwischen in einen Glasgower Knurrton verwandelt.
»Nein, ich denke, jetzt geht’s«, sage ich, ziemlich selbstmitleidig, wie ein Dreijähriger kurz vorm Tränenausbruch. »Ich glaube, jetzt muß ich nicht mehr.«
»Nie mehr?« fragt Dina.
»Na, versuchen wir’s auf alle Fälle«, sagt Alison und krempelt sich konkret wie symbolisch die Ärmel hoch. Ich schließe die Augen und lehne den Kopf zurück.
»Entspann dich wieder bis zu dem Stadium, in dem du warst, ehe du das letzte Mal aufgestanden bist«, beginnt Alison wieder mit ihrem Singsang. »Finde den Punkt in deinem Geist und Körper... und laß dich direkt dahin zurückgleiten. Bist du da?«
»Mehr oder weniger.«
»Gut. Bleib da.« Ich spüre, wie ihre Hand, rauher als Dinas, unter meine geöffnete Hand gleitet und meinen Arm im rechten Winkel zu meinem Körper hochhebt. »Jetzt möchte ich, daß du diesen Arm als Hebel betrachtest. Und während ich ihn senke...«, sie beginnt meinen Arm ganz langsam nach unten zu bewegen, »...möchte ich, daß du fühlst, wie er dich weiter und weiter hinabführt, bis dahin, wo du ganz entspannt bist.« Sie legt meine Hand auf die Couch. »Schlaf jetzt. Schlaf jetzt.«
Ich spüre, wie der Schlaf herantrudelt; berührt werden hilft. Alison scheint das zu -merken, denn als nächstes fühle ich wieder ihre Hand, diesmal auf meiner Stirn.
»Laß los«, sagt sie. »Stell dir ein kuscheliges, kuscheliges Federbett vor, in das du förmlich eintauchst, tiefer und tiefer in die Matraze sinkst, in eine unendliche Weichheit. Schlaf jetzt.«
Obwohl es mich immer weiter in die Tiefe zieht, gibt mir Alisons auf meiner Stirn kreisende Hand das Gefühl, ich könnte noch weiter gehen.
»Dina«, stammele ich aus einem anderen Teil der Welt.
»Ja?«
»Berühr du mich.«
»Wie bitte?«
»Alison, rede du weiter. Aber Dina soll mich berühren.«
Eine paar Schweigesekunden folgen, und, wie ich mir denken kann, wieder Blicke, diesmal unsichere. Dann verschwindet Alisons leicht trockene, sandige Handfläche und wird drei Sekunden später durch etwas ersetzt, das sich wie Nektar auf meine Stirn ergießt: Dinas Hand. Sanft wie eine Schlafbrille aus dem Himmel legt sie sich mir aufs Gesicht.
»Betrachte Dina als deine Führerin. Ihre Hand geleitet dich hinunter ins sichere, sichere Dunkel. Schlaf jetzt. Gib alle Verantwortung ab, folg ihr einfach. Dir kann nichts passieren.«
Alisons trotz Improvisation zuversichtliche Stimme klingt mir dünn und hohl in die Ohren, wie ein Echo, dessen Original sich in irgendeinem weiten Tal verloren hat. In dem graphischen Abbild meiner Seele sind Seh-, Hör- und Geruchssinn abgeschaltet, und ich nehme nur noch Berührung wahr. Ich spüre, wie Dina ihre Hand wegnimmt und schreie innerlich auf, daß der Balsam für meine Haut zurückkehrt. Ich werde erhört: Eine Sekunde später läßt sich Dinas Hand auf meinem Hals nieder wie ein Schmetterling. Dann, noch eine taktile Sensation: weiches, weiches Gewebe, Dinas Wange an meiner, und was ich dabei fühle ist nicht allzuweit von Liebe entfernt, jedenfalls für den Augenblick; danke.
»Schlaf jetzt. Schlaf. Schlaf.«
Dinas schöne Hände falten sich unter meinem Kopf, wiegen ihn hin und her, und dann spüre ich die Couch einsinken. Dina hat sich neben mich gelegt, umfängt mich, und gemeinsam stürzen wir den Lüftungsschacht ins Nirwana hinab.
»Schlaf jetzt.«
Der Befehl macht mir das Unmögliche beinahe möglich: den Einschlafmoment mitzubekommen. Ich kann den Schlaf schon förmlich sehen, nur ein bißchen weiter
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