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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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auch für seine Rückkehr zur Normalität der richtige Schritt war: So sicher bin ich mir natürlich nicht, denn wie soll man bei Nick von so was reden, wenn bei ihm Normalität bedeutet, alle Tore der Bradford-Reservespieler während der letzten zehn Spielzeiten zu wissen. Letzte Woche machte er jedenfalls was Erstaunliches: Er runzelte die Stirn und sagte leise »Cec Podd...?«. Es waren seine ersten Worte seit Tagen, und ich nahm sie als Zeichen, daß er sich, zumindest spurenhaft, an seine frühere Existenz erinnert. Und dann, heute morgen, sagte er zu mir: »Kannst du mich in die Psychiatrie bringen?«
    Nun, das klang sehr positiv. Es klang, als würde Nick endlich einsehen, daß er kein Messias war, sondern krank. Aber warten Sie, wies weiterging.
    »Was, jetzt?« fragte ich und stellte meine Schale mit Cornflakes hin.
    »Ja, jetzt.«
    »Ich bin noch im Morgenmantel.«
    »Na, dann zieh dich an. Du findest doch, daß ich dahin sollte, oder nicht?«
    »Ich weiß nicht...«
    »Du bist doch derjenige, der mich für verrückt hält«, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen.
    Ich und praktisch ganz Nordlondon, dachte ich, sagte aber nichts. Also wollte ich gerade unter die Dusche gehen - ich war einen Moment vorm Spiegel stehen geblieben, um mich zu vergewissern, ob mein Bauch wirklich eine Spur flacher geworden war-, als Nick die schloßlose Badezimmertür aufriß.
    »Was fällt dir ein, du Vollidiot!« schrie ich ihn an und wickelte schnell ein Handtuch um mich. Die Euphemismen für »verrückt« sind mir ausgegangen.
    »Beeil dich«, sagte er, »wir können die Klapsmühle nicht warten lassen!« Und er ging raus.
    An dem Punkt wurde mir klar, daß eine Woche ohne Chlorpromazin ihn wieder in genau den hirnrissigen Zustand hatte zurückfallen lassen wie bei seinem melodramatischen Gebrabbel vor Dr. Prandarjarbash. Nick Munford war wieder Super-Laing, der Rächer aller freien Denker, die wandelnde Anklage gegen alle eingefleischten Vorstellungen von normal und verrückt. Als ich, fertig angezogen und startbereit, in die Küche zurückkam, fand ich meine Einschätzung bestätigt: Mit einer rotgestreiften Pudelmütze auf dem Kopf und einem viel zu engen orangenen Polyesteranzug um seinen Dickwanst stand er da.
    »Wo hast du die Sachen her?«
    »Oxfam.«
    Ich wußte, was er damit sagen wollte, fragte also nicht weiter nach, sondern seufzte bloß: »Ich glaube, wir blasen die Sache lieber ab.«
    »Warum?«
    »Weil du einfach blöd bist.«
    »Bin ich nicht. Ich bin...«
    »Verrückt. Ja, ich weiß. Wie scharfsinnig von dir.«
    Ich merkte, daß meine Gereiztheit keinen Eindruck auf Nick machte. Er war fest entschlossen.
    »Ich weiß, wovor du Angst hast«, sagte er und zwirbelte einen Löffel zwischen seinem Zeigefinger und dem Tisch hin und her.
    »Wovor?«
    »Du hast Angst, >Verrückte< zu sehen.«
    Auf solche Sprüche gehe ich natürlich nicht mehr ein, merkte aber, daß eine gewisse Wahrheit darin steckte. Ja, ich will keine Verrückten sehen: In Filmen bin ich immer vor Angst versteinert, wenn sich einer in der Dachkammer versteckt. Aber Nick meinte natürlich, wenn sie gleich en masse auf mich einstürmten, fürchtete ich mich davor, der welterschütternden Erkenntnis ins Auge zu sehen, daß sie im Grunde alle Genies sind. Dabei habe ich bloß Angst vor verzerrten Gesichtern und dem Geschrei.
    »Du hast recht. Komm, fahren wir.« Mir reicht’s, dachte ich. Wenn wir erst mal da sind, behalten sie ihn hoffentlich gleich da.
    »Gut«, sagte er, nahm einen gepunkteten Damenregenmantel von der Küchenstuhllehne und zog ihn über.

    Im Auto saß Nick hinten, mit runtergedrehtem Fenster. Alle zwei Minuten lehnte er sich mit dem Oberkörper raus und schrie den Passanten zu: »Hallo! Ich bin ein Bekloppter! Bin durchgeknallt und auf dem Weg ins Irrenhaus!«
    Ich versuchte schneller zu fahren, aber das schien ihn nicht zu stören; außerdem schafft der frisch wiederbelebte Dolomite sowieso nur noch siebzig. Immerhin achtete niemand weiter auf Nick, außer Schizo-Barry, der ihm aufmunternd zulächelte und zuwinkte.

    Die Park Royal Psychiatrische Klinik ist ein riesiger roter Backsteinkomplex in einem Industriegebiet irgendwo am Ende von Harlesden. Die meisten Einzelgebäude sind im Bungalowstil, weshalb man die Anlage von der Straße aus leicht mit einem unglücklich plazierten Club Med verwechseln könnte. Harlesden selbst ist wahrscheinlich der übelste Ort im Universum, und wir merkten schnell, daß die psychiatrische

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