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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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Klinik sein pulsierendes Kernstück ist. Das erste, was wir sahen, als wir durch die elektronisch gesicherte Glastür zur Anmeldung gingen, war eine alte Frau, die oben ohne in dem Flur hinter der Eingangshalle tanzte; nachdem der Wärter einen Code in das Digitalschloß getippt hatte und uns in den Flur führte, hörten wir, daß sie außerdem sang, den Part des sterbenden Schwans aus Schwanensee, nur daß sie nicht »la« oder »da« trällerte, sondern das Wort »Sybil«.
    » Sy-billl, sy-bilsy-bilsy... bill — sy-bil, sybilsybil, sybilsybil!« sang sie und hüpfte um uns herum. Ich sah den Wärter an.
    »So heißt sie.«
    »War sie früher Ballettänzerin?«
    »Nein«, sagte er und machte ein Gesicht, als kenne er solche Leute zur Genüge, die so platte Schlüsse ziehen. Ein grotesk großer Schwarzer in gestreiftem Sträflingspyjama kam mit steif nach vorn gestreckten Armen aus einer Tür vor uns; offenkundig war er blind, und es sah ganz danach aus, als wollte er gleich rufen, »Heile mich, Jesus! Heile mich!«, aber statt dessen rannte er direkt vor die Wand gegenüber. Als wir an ihm vorbeigingen, wie er wie eine riesige Spinne an der Backsteinwand klebte, als wollte er einfach nicht wahrhaben, daß sie da war, warf ich einen Blick in die Tür, aus der er gekommen war. Innen war ein großer Aufenthaltsraum, ein bißchen wie der im Liv Dashem-Heim. Fünf oder sechs Leute, manche in Morgenmänteln, manche in Anstaltsweiß und einer, bizarrerweise, in Anzug und Schlips, saßen völlig reglos um einen Fernseher, der die Zwölfuhrnachrichten ungefähr fünfmal so laut wie nötig herausplärrte, als ob er wüßte, welch hartes Stück Arbeit es ist, hier eine Message rüberzubringen: Es war, als würde man bei einem Treffen Anonymer Katatoniker reinschneien. Am Ende des Flurs, vor einer Art Büro mit einem Einwegfenster, das uns den Blick hinein abschnitt, blieben wir stehen. Der Wärter klopfte an die Tür und ging. »Herein«, sagte eine Stimme von innen. Ich sah Nick an, der blaß geworden war.
    »Komm, wir hauen ab«, flüsterte er.
    »Warum?« fragte ich.
    »Guck dir doch an, was sie aus den Leuten hier machen.«
    Eine extrem magersüchtige Frau, wahrscheinlich um die einunddreißig, aber mit dem Körper einer Zehnjährigen, kam um die Ecke und marschierte zielstrebig auf uns zu, als hätten wir uns mit ihr hier verabredet.
    »Willst du mich ficken, Ian?« sagte sie und starrte mich für jemand, der eindeutig wen ganz anderen sah, unglaublich durchdringend an. Ihre Augen waren voller Wut. »Du kannst, wenn du willst. Hier!« Und sie hob ihr Hemd und entblößte Scham und Beine wie jene, die man die Alliierten Truppen in Gräber schaufeln sah und die die Libido so verstören. Ich schämte mich plötzlich für alles, was ich bin. Dann öffnete sich glücklicherweise die Bürotür, und sie lief weg.
    »Ja?« sagte ein entnervt aussehender, aknenarbiger Mann in weißem Kittel und rot getönten Brillengläsern.
    »Tag, ich heiße Gabriel Jacoby. Das hier ist mein Mitbewohner Nick Munford. Ich nehme an, Dr. Prandarjarbash vom Royal Free hat sich mit Ihnen in Verbindung gesetzt...«
    »Ich kenne Dr. Prandarjarbash, ja.«
    Ich schwieg. Dann stieß ich Nick mit dem Ellbogen an, wobei ich mir ein bißchen wie ein Schuljunge mit seinem durchtriebenen Freund vorkam, der einen Erwachsenen um was Verbotenes bittet.
    »Was ist?« sagte er.
    »Sag’s ihm.«
    »Was?«
    »Daß du dich als freiwilliger Patient aufnehmen lassen willst.«
    Nick guckte mich wie ein verängstigtes Kaninchen an. »Das will ich gar nicht«, sagte er leise und setzte sich auf einen orangenen Plastikstuhl an der Wand. An dem Punkt - der Arzt fing außerdem gerade an, Nick und seine Kleidung abschätzig zu mustern und offenbar daraus zu schließen, wir wären bloß hergekommen, um ihn zu verarschen — rastete ich plötzlich aus.
    »Doch, du willst!!« schrie ich so laut ich konnte. Verschiedene Köpfe guckten aus verschiedenen Türen im Flur und stierten mich an, als wäre ich, na ja, verrückt. »Diese Leute hier, die liegen doch ganz auf deiner Linie, oder nicht?« Ich zeigte mit weit ausholendem Armschwung auf die Flurbewohner. »Die haben doch dieselben Talente wie du? Hören und sehen Dinge, die dem Rest von uns verschlossen sind? Hier muß es dir doch gefallen! Du und die da, ihr werdet euch bestimmt viel zu sagen haben!«
    Nick starrte stur auf den grauen Teppichbelag; selbst in meiner Rage fiel mir auf, daß immer noch karrottenfarbener Schleim

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