Ab ins Bett!
er ist, und er geht zu der mit einem weißen Tuch bedeckten Couch in der Ecke; eine nicht erkennbare Melodie vor sich hinsummend, dreht er verschiedene Knöpfe an der daneben stehenden Maschinerie.
»Dr. Levin?« sage ich.
»Ja?«
»Arbeitet in der Marlborough-Klinik jemand, der Edwyn heißt?«
Seine buschigen Brauen ziehen sich zusammen. »Edwyn. Hmmm. Edwyn. Edwyn, Edwyn, Edwyn...«
Dina kommt in einem weißen Hemd aus der Tür und wirft uns beiden ein bekümmertes Lächeln zu.
»Ah! Na, dann hüpfen Sie mal auf die Couch da!«
Dr. Levins zerstreute Forschheit erinnert mich an etwas. Im nächsten Moment weiß ich, woran: an die Art, wie der Mann, der an meiner Grundschule die jährliche Untersuchung machte, nach einem flüchtigen Abhorchen mit dem Stethoskop sagte: »So, und jetzt laß die Hosen runter!«, ehe er mich als nächstes unerklärlicherweise aufforderte, zu husten. Vielleicht muß ja jeder, der mit der täglichen Entmystifizierung von Intimität zu tun hat, dieses Gehabe annehmen. Aus reinem Selbstschutz.
Dina liegt steif auf der Couch, und das Weiß der Decke reflektiert sich in ihren Augen. Dr. Levin zieht sich Gummihandschuhe über und greift zu einer kleinen weißen Plastiksonde.
»Das wird jetzt ein bißchen kalt sein...«
Dina verzieht leicht das Gesicht, als die Sonde auf ihren Bauch gelegt wird. Dr. Levin knipst einen anderen Schalter am Ultraschallgerät an, und ein zerfließendes graues, an der Unterseite abgerundetes Dreieck erscheint auf dem Schirm. Die Sonde sieht aus wie ein Laser in einer billigen Lichtshow. Während die Hand des Doktors sie bewegt, werden die Umrisse zwar etwas klarer, zerfließen aber weiter an den Rändern. Mich überkommt nicht das Gefühl, ich müßte niederknien vor dem Wunder des Lebens: Was ich sehe, ist zu trüb und verschwommen. Dann bemerke ich einen kleinen schwarzen Punkt am Rand der Laserlinie. Auf diesem komischen Radar, sage ich mir, kann es gradsogut ein Fleck auf dem Schirm sein, aber mein Herz bleibt trotzdem stehen: Laß es kein Krebs sein. Bitte nicht.
»Wenn Sie diese Schmerzen haben, dann ist Ihre Hauptsorge also, sie könnten ein Symptom von Unfruchtbarkeit sein...«, sagt Dr. Levin und dreht seinen Kopf zwischen Dina und dem Schirm hin und her.
»Ja. Das ist eine meiner Hauptsorgen«, sagt Dina, weiter an die Decke starrend.
»Haben Sie je versucht, schwanger zu werden, um es zu überprüfen?«
Jetzt wandern ihre Augen doch zu ihm. »Nein.«
»Nun, Sie sind schwanger... in der neunten oder zehnten Woche, würde ich schätzen.«
Die Welt um mich herum beginnt zu schwanken. Dina guckt mich an, Dr. Levin guckt mich an, der kleine schwarze Fleck guckt mich an; aber ein riesiges flüssiges Dreieck senkt sich vom Himmel herab, und ich ertrinke in seinen grauen Wassern.
* * *
Im Hunger, einem Café in Chalk Farm, rührt Dina so wild in ihrem schwarzen Kaffee, als wären Mengen Zucker oder Milch drin.
»Also, weißt du...«, sage ich, »wenn du willst, kannst du bei mir einziehen - Nicks Zimmer ist ja jetzt frei — und das Baby da kriegen. Aber wenn du nicht willst, ist es auch in Ordnung. Es ist deine Entscheidung.«
Dies ist das dritte Mal, daß ich das sage, oder zumindest was in der Richtung, weil ich weiß, daß so was von einem Mann in meiner Situation erwartet wird. Dina nickt, scheint aber gar nicht zugehört zu haben.
»Wann könnte es passiert sein?« fragt sie.
»Ehmm...«
»Ich meine, wir haben doch jedes Mal Kondome benutzt, oder haben wir’s etwa irgendwann vergessen?«
»Na, einmal - das eine Mal, vor ein paar Monaten...«
»Gabriel, man wird nur durch die Vagina schwanger.«
»Das weiß ich selbst. Ich dachte bloß gerade...« Jetzt fällt es mir wieder ein. »Warte mal. Das erste Mal — das allererste Mal? Weißt du noch, die Frosch-Nacht...?«
»Ja?«
»Da stand ich später auf und spülte das Kondom das Klo runter. Und... «
Sie guckt mich ungeduldig an. Ich lächle matt.
»...es tröpfelte ein bißchen.«
Endlich hört sie mit dem Gerühre auf. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Ich war mir ja nicht sicher! Versuch du mal, die verdammten Dinger mit Wasser zu füllen. Da tröpfelt’s sowieso immer an allen Seiten runter. Und außerdem, was hätte es genutzt?«
»Es gibt schließlich die Pille für den Morgen danach!«
»Aber du hast mir erzählt, du könntest nicht schwanger werden.«
»So eindeutig habe ich das nie gesagt.«
Ein Rap-Rhythmus-Stammelgedanke kommt mir in den Kopf:
Dina
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