Ab ins Bett!
mit der Haut wie Butter, plötzlich Mutter, das haut mich aus dem Kutter...
»Hast du nicht gemerkt, daß deine Periode weggeblieben ist?«
Sie wedelt mit der Hand. »Ach, die ist seit Ewigkeiten das reinste Chaos. Seit damals, als der Gynoärger anfing. Ich hab nicht weiter drauf geachtet.«
Das Hunger ist ziemlich leer, die Halbvier-Montagnachmittag-Leere. An den rosa und lila getünchten Wänden hängen mehrere überdimensionierte Strichelzeichnungen von einem Künstlerfreund des Besitzers: 72 Pfund, 83 Pfund, 104 Pfund - wahrscheinlich hält er sich für sehr cool, dieser Künstlerfreund, weil er gegen die Konvention runder Zahlen verstößt. Eine Kellnerin in schwarzen Leggings sitzt auf einem Hocker an der Bar und schwatzt mit einem Mann hinter der Küchenluke. Für meinen Geschmack ist der Kerl dafür, daß er sich mit Essen befaßt, ein bißchen zottelig.
»Hör zu«, sage ich, schiebe meine Hand über den Tisch und berühre ihre um die Tasse geschlungenen Finger, »eigentlich ist es doch gut so. Wenigstens weißt du jetzt, daß alles in Ordnung bei dir ist. Du kannst Kinder haben, wenn du willst.«
Sie nickt, aber leicht, wie zu sich selbst, und trinkt einen Schluck, wobei sie ihre Hand natürlich wegnehmen muß. Ich merke, daß etwas in mir wirklich will, daß sie dieses Kind kriegt. Etwas in mir will alles andere aufgeben, sieht plötzlich, direkt auf der anderen Straßenseite, Frieden und eine Seelenruhe, die von nichts mehr gestört wird, nicht von ständigen Sehnsüchten, nicht vom nervigen Mann nebenan, der alle fünf Minuten das Unkraut aus seinem Rasen zupft, und nicht von Alice. Etwas in mir.
Die schwarzbeleggingte Kellnerin guckt fragend in unsere Richtung. Dina greift unter den Tisch nach ihrer Handtasche.
»Nein, laß. Ich zahle«, sage ich mit dem Gefühl, daß meine Verantwortung als Brötchenverdiener hier und jetzt beginnt.
»Okay«, sagt sie abwesend. »Ich hab sowieso kein Geld dabei.« Sie schnippt den klobigen Dekoverschluß auf und holt ein Päckchen Silk Cut aus der Tasche.
»Ehhmm...«
»Was?« Ihr aggressiver, trotziger Blick wird im nächsten Moment vom Flammenwerfer des Imitat-Zippos verdeckt.
»Hältst du das für richtig, was du da machst?«
Sie bläst einen Nikotinnebel aus und guckt spöttisch auf das Feuerzeug.
»Es ist die einzige Art, die Dinger zum Qualmen zu bringen, oder nicht?« sagt sie und hebt, zum ersten Mal seit Wochen, wieder die Braue.
»Oh, Dina...«
»Ich werde das Baby nicht kriegen, Gabriel.«
Ein Teil von mir stirbt. »Warum?«
Sie drückt die Zigarette in einem weißen Porzellanaschenbecher aus; das lange, ungerauchte Stück knickt in der Mitte, und trockene braune Krümel rieseln heraus.
»Weil es das Allerdümmste wäre, was wir tun könnten. Weil es verdammtnochmal weh tut, Kinder zu kriegen. Weil ich mich nicht die nächsten zwei Jahre mit Bäuerchen beschäftigen will. Weil wir beide keinen anständigen Job haben.«
Ich gucke verlegen zu der Kellnerin hin, die so tut, als wische sie die Tische ab, dann gehe ich mit dem Gesicht ganz nah an Dinas heran.
»Das alles spielt doch keine Ro...«
»Und weil du in meine Schwester verliebt bist.«
Sie sagt es mit einem winzigen Aufschluchzen in der Mitte, einem Riß in der Stimme, wie Karen Carpenter. Als sie es sagt, bohren sich ihre Augen in meine wie ein Hacker in einen Großrechner, und ich bin so perplex, daß ich nicht mehr abblocken kann und mir alle Informationen abzapfen lasse. Mit Lichtgeschwindigkeit fließen sie mir aus den Augen, und als Dina das Nano-Flackern von Schuldbewußtsein darin erhascht, senkt sie den Kopf.
Das gelegentliche Aneinanderklirren von Porzellan ist jetzt außer Dinas Schluchzen das einzige Geräusch im Café. Einen kurzen Moment erwäge ich, einfach alles zu leugnen, aber es ist zu spät.
»Woher weißt du das?«
»Du hast es mir erzählt...«, sie wirft den Kopf hoch und drängt die Tränen zurück, »...im Schlaf.«
Jetzt wünsche ich mir doch, ich hätte es abgestritten. »Nein. Niemals.« Meine flache Hand haut auf den dunklen Kiefertisch. »Ich spreche nie im Schlaf. Dafür schlafe ich nicht tief genug.«
»Doch, einmal schon.«
»Wann?«
»Bei Alison.«
Ich bremse die Luft, die in meinen Lungen Anlauf nimmt, die nächsten Worte zu formen.
»Du hast dir eingebildet, du wärst keinen Moment in Trance gewesen, was?« Wütend und drohend klingt sie jetzt.
»Na ja, nein...«, sage ich schwankend. Mein ganzer empörter Schwung ist dahin. »...Ich
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