Ab ins Bett!
ist aufs Bett gehüpft, bearbeitet die Federdecke mit den Vorderpfoten und schnurrt. Mein Gott, sie schnurrt! Dann sinkt sie in die weiche Mulde, die sie sich vorbereitet hat, rollt sich zusammen und wickelt den Schwanz um sich, genauso wie es sich für eine Katze gehört, und ist in Sekunden eingeschlafen.
Ich sehe auf das halb bandagierte Tier in meiner Hand. Dann gehe ich zu meinem Schreibtisch hin, öffne die zweite Schublade und lege die Ratte behutsam in eine Lichtung inmitten der Schlafpillenflaschen: meine Opfergabe ans Unbewußte.
22
Die gynäkologische Abteilung des Royal Free-Hospitals liegt im vierten Stock und ist nur mit einem enormen Krankenhausaufzug erreichbar. Ich und Dina lehnen gegen die graue Rückwand, als er langsam himmelwärts rumpelt, und sehen uns nicht an: Auf der Herfahrt war die Atmosphäre gespannt, durchsetzt von vielen Schweigepausen, und wenn wir redeten, dann krampfhaft von was anderem als unserem augenblicklichen Ziel.
»Müssen wir durch die Entbindungsstation?« frage ich.
»Das hat sie uns doch erklärt«, sagt Dina, guckt so stur und finster geradeaus wie seit damals nicht mehr, als wir in der Westbourne Park Road auf den Grüne Flagge-Mann warteten. Der Lift hält bei 1 , Psychiatrie: Die riesigen Metalltüren gleiten auf, und mitsamt einer Gruppe von Assistenzärzten steigt Dr. Prandarjarbash ein.
»Guten Tag...?« sagt er, als er mich wiedererkennt.
»Jacoby. Gabriel Jacoby. Ich brachte vor einiger Zeit meinen Mitbewohner her - den mit der Haschischpsychose.«
»Ja, natürlich, jetzt erinnere ich mich.« Dr. Prandarjarbash guckt einen seiner Begleiter an. »Sie wissen doch, Steve, dieser Schizophrene...« Steve, ein dünner, blonder Weißkittel um die dreiundzwanzig, nickt eifrig, obwohl in seinen Augen blanke Ahnungslosigkeit steht. Der Aufzug setzt sich wieder in Bewegung.
»Und? Wie macht er sich?« fragt Dr. Prandarjarbash weiter.
Ich zucke die Achseln. »Schwer zu sagen.«
Der Doktor nickt. Plötzlich schalten seine Augen auf Alarmstufe, und er tippt mir mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »Moment mal — Sie waren doch in diese Schlägerei im Park Royal verwickelt.«
Das scheint endlich Steves Interesse zu wecken. Beinahe respektvoll guckt er mich jetzt an. »Jaah«, sage ich, leider nur ein bißchen stolz. »Aber keine Angst, ich hab nicht vor, Ihr Krankenhaus zu demolieren.«
Dr. Prandarjarbash mustert mich so forschend, als wollte er mir vorschlagen, mal eine Sitzung bei ihm zu machen.
»Es war eine dumme Sache«, fahre ich fort. »Ich war völlig entnervt, denn erst wollte Nick unbedingt hin, sich als freiwilliger Patient einliefern, und dann...«
»Nick ist Ihr Mitbewohner...?«
»Jaah. Jedenfalls, als wir dort waren, wollte er plötzlich wieder weg, und da rastete ich aus. Der Arzt dort versuchte mich zu beruhigen; dabei hab ich ihn ein bißchen hart erwischt, und im Nu schlugen wir aufeinander ein.«
»Und? Wie ging die Sache aus?«
»Ich wurde wegen Körperverletzung angezeigt.«
Wieder hält der Aufzug, diesmal auf 3. Ein junger Araber mit Sonnenbrille schiebt einen bärtigen alten Mann im Rollstuhl herein.
»Nun«, sagt Dr. Prandarjarbash, beugt sich vor und drückt auf 10, »wenn ich mich recht erinnere, kams auch zu einer Schlägerei, als Sie und und Ihr Freund hier waren.«
»Jaah...«
»Das war nicht seine Schuld«, mischt Dina sich jetzt ein. Ich hatte geglaubt, sie wäre zu sehr in ihre eigenen Gedanken vertieft, um zuzuhören. »Weder hier noch dort.«
Dr. Prandarjarbash mustert ihr entschlossenes Gesicht mit abgeklärtem Interesse. Die Türen öffnen sich bei 4, unser Stop. Als wir hinausdrängen, sagt Dr. Prandarjarbash, den Blick auf seine langen, wahrscheinlich manikürten Fingernägel geheftet: »Nun ja, Sie scheinen nicht der Typ des Gewalttätigen zu sein. Ich will sehen, ob ich nicht ein Wort für Sie einlegen kann, damit man die Anzeige gegen Sie fallen läßt.«
»Danke«, sage ich und versuche seinen Blick aufzufangen und ihm zu zeigen, daß ich es ernst meine, aber mitten in dem Gedränge geht das nicht so leicht, und so sehe ich durch die sich schließenden Aufzugtüren nur noch den kleinen Bildausschnitt von ihm und Steve, längst in die Erörterung eines anderen Themas vertieft.
»Und Gabriel ist Ihr... ?«
»Freund«, sage ich und spüre sofort, wie absurd das Wort ist. Schließlich habe ich Sachen mit Dina gemacht, die unter Freunden nicht unbedingt üblich sind. Dr. Levin, ein Mann mit beruhigender
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