Ab ins Bett!
SONST IN LONDON, ABER HIER NICHT. IHR WAGEN WIRD NICHT BLOSS ABGESCHLEPPT, O NEIN - GERADEWEGS AUF DIE MÜLLKIPPE MIT IHM! WENN SIE IHN DAS NÄCHSTE MAL SEHEN, WIRD ER DIE FORM EINES GROSSEN RUBIK-WÜRFELS HABEN.«
»Und«, sage ich. »Bist du Mitglied in einem Automobilclub?«
»Aber klar, Gabriel. Pünktlich wie ein Uhrwerk habe ich meinen Ausweis von Manhattan aus erneuern lassen.«
Sie dreht sich um, vergräbt die Hände in den Taschen des blauen Samttops mit Reißverschluß. Die letzten Überreste von Hoffnung in mir beschließen, dem Beispiel des Motors zu folgen und den Geist aufzugeben.
»Wart einen Moment«, sagt Dina, das Gesicht immer noch abgewandt, aber ihr Ton plötzlich ganz munter. »Guck mal hier!«
Sie dreht sich um und zeigt mir die kleine gelbe Brieftasche aus Lackleder in ihrer Hand, aus der sie etwas zieht, das wie eine Kreditkarte aussieht. Sie überreicht sie mir. »Grüne Flagge« steht darauf und darunter Dinas Name und eine Mitgliedsnummer.
»Wie kommst du denn daran?«
»Guck mal genau auf den Namen«, sagt sie.
Ich überfliege die Unterseite der Karte. A. Friedricks. Alice.
»Das Ding war in der Jackentasche hier«, sagt Dina, ehe ich perplex aufgucken kann. »Was ist das — >Grüne Flagge«
»So was ähnliches wie der Automobilclub. Die >Grüne Flagge< sponsert die Nationalmannschaft — wahrscheinlich inserieren sie in Bens Blatt, und deshalb haben er und Alice die Gratismitgliedschaft gekriegt.«
»Also gut. Ich könnte doch bestimmt als Alice durchgehen, oder nicht?«
Läßt du mir für die Antwort darauf bitte ein paar Monate Zeit?
»Die werden doch bestimmt nicht meinen Personalausweis sehen wollen?« fährt sie fort. »Und selbst wenn, ich habe ein paar Papiere dabei, wo >Friedricks< draufsteht.«
Begnadigt: Besagte letzte Hoffnungsüberreste bäumen sich noch einmal auf, drehen sich zitternd und polternd im Grab herum.
»Und du meinst... die würden uns bis zum Stadion abschleppen?«
Sie wirft mir einen harten Blick zu. »Gabriel. Find dich damit ab. Wir gehen zu keinem Spiel. Das Spiel war für uns zu Ende, als du diese dämliche Carpenters-Kassette rausgeholt hast. Ich seh mich mal nach einer Telefonzelle um.«
Zwanzig Minuten später sitzen wir im Auto, warten das Inner-halb-einer-Stunde-sind-wir-da-Warten. Ich gucke Dina an. Ihr Gesicht ist vor Kälte gerötet in dem nicht mehr heizbaren Wagen.
»Ehrlich, Dina. Es tut mir wirklich leid.«
»Jaja.«
»Nein wirklich.«
»Jaja.«
Langsam wird das Ganze beleidigend.
»Dina«, sage ich nicht ohne Nachdruck, wobei der Dampf aus meinem Mund nichts mit der Kälte zu tun zu haben scheint - eher wie Cartoon-Wut sieht er aus. »Der Queens Park Ranger-Fußballclub bedeutet mir sehr viel. Seit die Rangers 1976 den zweiten Platz in der Liga schafften, bin ich ein treuer Fan. Das ist viel Zeit investiert für kaum eine nennenswerte Gegenleistung. Aber davon ganz abgesehen, mein Herz hängt daran, dieses Spiel zu sehen. Wohingegen du bloß aus einer läppischen Laune heraus mitkommst — weil du bei dem Fußballgequatsche deiner Schwester und deines Schwagers mitreden willst. Allem Anschein nach werden wir das Spiel also jetzt verpassen. Und trotzdem bist du diejenige, die viel saurer ist als ich. Wieso?«
Sie sieht mich an, etwas Müdes und Einsames in den Augen.
»Leck mich am Arsch«, sagt sie. Dann, nach einer Pause: »Sowie ich den Hörer auflegte, wußte ich, daß das Ganze eine bescheuerte Idee ist. Mir liegt im Augenblick nichts an...«, sie guckt in die andere Richtung, »...Männern. Ben geht gerade noch, aber Männer im allgemeinen — ich will einfach keinen sehen. Und leider hab ich nicht sofort geschnallt, daß du mich überredet hast, wohin zu gehen, wo es gleich fünfzigtausend von der Sorte gibt.«
Wieder eine Pause.
»Im Moment faßt das Stadion nur vierundzwanzigtausend. Bis die neue Tribüne fertig ist.«
Sie starrt aus dem Fenster. Ein grüner Sportwagen zoomt wie eine Satire an unserem Stillstand vorbei.
»Und wenigstens ein paar tausend davon werden Frau... «
»Gabriel.«
»Schon gut. Wir gehen ja sowieso nicht mehr hin. Wozu regst du dich also noch auf? Eigentlich müßtest du doch bester Laune sein, daß wir hier feststecken - bist es aber anscheinend nicht!«
Sie antwortet nicht, sondern fixiert das Armaturenbrett. Als ich ein Klopfen an der Fensterscheibe höre, drehe ich mich um und gucke zu einem Schnurrbartträger in grünem Kittel und mit schwarzen Schmierern im Gesicht hoch.
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