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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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offen gesagt nur aus diesem einen hier besteht, dem »Was soll man da machen?«-Achselzucken.
    »Ja ja Eva, so war dein Josh eben«, sagt Mrs. Hindlebaum. »Voreilig.«
    Meine Großmutter nickt, lächelt wehmütig, »impulsiv«, erklärt sie mir.
    Jaah, er war impulsiv, außer beim Sterben, erinnere ich mich: Mein Großvater nahm sich ungebührlich lange Zeit dafür. Er sinnierte über den Tod, grübelte darüber nach und bedachte ihn gründlich von allen Seiten. Dem Rest der Familie führte er die verschiedensten Inszenierungen seines Sterbestücks vor, probierte die unterschiedlichsten Versionen aus - Krebs, Herzversagen, Alzheimersche Krankheit —, ehe er sich schließlich für die völlige Auflösung seines Körpers entschied. Gott sei Dank sind wir keine Katholiken, sonst hätte der zur letzten Ölung gerufene Priester ab dem sechsten Mal bestimmt eine Wegegebühr berechnet. In gewisser Weise ist das alles sehr schade, denn Sie wissen ja, wie es mit dem Tod ist, er bläst einem irgendwie alles andere aus dem Kopf; und so ist sein ewiges Sterben jetzt die Haupterinnerung, die ich an meinen Großvater habe. Wenn er mir heute in meinen Träumen erscheint, dann nicht so wie er eigentlich sollte, wieder gesund und in einem weißen Gewand auf einer Wolke schwebend, nein, er kommt buchstäblich aus dem Grab, stöhnt und reißt die Augen auf wie ein Zombie, Erdklumpen und alles mögliche fallen von ihm ab, und er schreit um Hilfe wie die Nichttoten.
    »Reverend Oshor Rosenberg, Rabbi der Redbridge-Synagoge, verkündete heute, völlig überraschend, daß vom nächsten Sabbat an Mrs. Nesta Mayer alle Gebetsgottesdienste auf einer Hammondorgel beleiten wird. Durch ihre beeindruckende Leistung am Piano-Keyboard bei der Yentl -Aufführung der Redbridge und District Good Companions ist Mrs. Nesta Mayer der Gemeinde bereits wohlbekannt«, sagt meine Großmutter mit lauter und deutlicher Stimme.
    Sie hat ein Exemplar der Jewish Chronicle vom Kaffeetisch genommen und, wie es ihre Gewohnheit ist, aufs Geratewohl ein Stück daraus laut vorgelesen. Während sie die an einer Kette befestigte Lesebrille wieder auf ihrem verwirrend großen Busen ablegt, blickt sie hoch und zuckt schon wieder mit den Achseln, wobei sie diesmal allerdings eine winzige Spur von »Was sagt man dazu!« hineinlegt. Sie läßt die Zeitung auf den Tisch fallen - ist fertig mit ihr.
    »Wie schläfst du im Moment, Gabriel?« fragt mich Mrs. Hindlebaum. Daß ich an Schlaflosigkeit leide, gehört zu den drei mit mir zusammenhängenden Dingen, an die sich Mrs. Hindlebaum immer erinnert, die beiden anderen sind, daß ich Smarties mag - ein bißchen überholt inzwischen —, und daß ich es wirklich zu was hätte bringen können, wenn ich nur bereit gewesen wäre, mich ein bißchen anzustrengen.
    »Nicht sehr gut, Mrs. Hindlebaum, aber danke für die Nachfrage.«
    Sie legt einen, durch Arthritis rechtwinklig gewordenen Finger auf ihre grauen Lippen und macht eine Pause, als wolle sie gleich etwas Gewichtiges verkünden.
    »Hast du es schon mal mit Baldrian probiert?«
    Ich hab es mir zur Strategie gemacht, immer die Wahrheit über meine schlaflose Befindlichkeit zu sagen, gleich was ich mir damit einhandle. Und eins handle ich mir unweigerlich ein: gutgemeinte, aber völlig nutzlose Ratschläge. Sowie die Leute hören, daß ich Schlafloser bin, empfehlen sie mir irgendein angeblich völlig narrensicheres, Bei-mir-hat’s-immer-geholfen-Mittel, und sie glauben offenbar wirklich, diese Leute, ich hätte das alles nicht schon ausprobiert: das Licht anknipsen und ein Weilchen lesen; ein heißes Bad nehmen oder eine Tasse heiße Milch trinken, ehe ich ins Bett gehe; von hundert rückwärts zählen oder eine der hundert homöopathischen Pastillen, die es ohne Rezept in der Apotheke gibt; nichts davon hat natürlich die geringste Wirkung bei einer richtigen, ausgewachsenen Schlaflosigkeit, und der beliebteste Rat von Leuten, die keine Ahnung haben, was eine richtige, ausgewachsene Schlaflosigkeit ist, die selbst höchsten ein- oder zweimal in ihrem Leben eine kleine Einschlafschwierigkeit hatten, ist immer, unweigerlich, Baldrian. Ich glaube, heute ist es das sechsundzwanzigste Mal, daß Mrs. Hindlebaum mir den Tip gibt.
    »Nein, das habe ich offengesagt noch nicht ausprobiert, Mrs. Hindlebaum. Vielleicht sollte ich es mal versuchen.«
    »Gibt’s in jeder Drogerie.«
    »Ach? Großartig. Fantastisch.«
    Meiner Großmutter verschleierter Blick driftet aus dem Nirgendwo

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