Abaddons Tor: Roman (German Edition)
sich, dass er geschmolzen war. Melba fletschte die Zähne.
»Hier entlang«, sagte Naomi, als die Luke über ihnen aufglitt. Anna schoss hindurch, Naomi zog sich mit dem unverletzten Arm hinterher. Melba wollte ihnen folgen und stieß sich mit einem Fuß am Reaktorgehäuse ab.
Naomi zog ihr Bein gerade rechtzeitig hoch, um nicht von der Klaue des Mechs erwischt zu werden, und tippte mit dem Zeh auf den Verschlussmechanismus. Die Klappe klemmte das Handgelenk des Mechs ein. Der Motor der Luke heulte auf, weil er blockiert wurde, und zerquetschte die Klaue. Funken und abgebrochene Teile flogen umher. Anna wartete auf einen Schmerzensschrei, der ausblieb, dann wurde ihr bewusst, dass sich die Handschuhe, mit denen Melba die Maschine steuerte, im Unterarm und mehrere Zentimeter vor der beschädigten Stelle befanden. Sie hatten Melba nicht verletzt, die eine Klaue des Mechs geopfert hatte, um die Luke offen zu halten. Nun erschien die zweite Klaue in der Öffnung, packte das Metall und verbog es.
»Gehen Sie.« Naomis Stimme war vor Schmerzen gepresst. Mit der unverletzten Hand deutete sie auf die nächste Luke am Ende der Leiter. Als sie beide hindurch waren, nahm Anna sich einen Augenblick Zeit, das Deck zu betrachten, auf dem sie sich nun befanden. Anscheinend waren hier die Mannschaftsquartiere untergebracht. Es waren kleine Abteile mit dünnen Türen. Kein guter Ort, um sich zu verschanzen. Naomi schwebte schon durch den Gang, im Licht der schwachen Notbeleuchtung zog ihr schmaler Schatten über den Boden. Anna folgte ihr so gut sie konnte. Das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein, verstärkte sich.
Nachdem sie die Luke der nächsten Ebene passiert hatten, hielt Naomi an und tippte mehrere Sekunden lang auf einem kleinen Bildschirm etwas ein. Die Notbeleuchtung wechselte zu Rot, und auf der Anzeige der Luke erschien der Schriftzug SICHERHEITSSPERRE .
»Sie sitzt da unten nicht fest«, warnte Anna. »Durch die Frachtluke kann sie nach draußen gelangen. In der Luke ist ein Loch.«
»Das ist schon das zweite Mal, dass jemand so etwas gemacht hat«, erwiderte Naomi, während sie sich die Leiter hinaufzog. »Wie auch immer, sie trägt einen Bergungsmech und ist in der Werkstatt. Die Hälfte der Sachen da drin sind dazu geeignet, Schiffswände aufzutrennen. Sie sitzt nicht in der Falle. Wir schon.«
Das überraschte Anna. Sie waren doch geflohen und hatten hinter sich die Tür abgesperrt. Damit sollte alles vorbei sein. Das Ungeheuer durfte keine verschlossenen Türen öffnen. Es war das Wunschdenken eines Kindes. Auf einmal war Anna gar nicht mehr so sicher, dass ihr Kreislauf wirklich schon alle Medikamente abgebaut hatte. »Was tun wir jetzt?«
»Krankenstation.« Naomi deutete auf einen kurzen Korridor. »Da entlang.«
Das leuchtete ein. Die Haut der Gürtlerin mit dem zerbrechlichen Körperbau bekam einen grauen Ton, der Anna an einen starken Blutverlust denken ließ. Der Schulterverband war bereits durchgeblutet, kleine rote Punkte zeichneten sich ab. Sie fasste Naomi an der Hand und zog sie den Gang zur Krankenstation hinunter. Die Tür war verschlossen, und auf der Kontrolltafel daneben blinkte die gleiche Sperrmeldung wie auf den Zugangsluken der Decks. Naomi bearbeitete die Steuerung der Tür, und Anna wartete darauf, dass sich der Zugang öffnete. Stattdessen glitt eine andere, schwerer aussehende Tür vor die erste, und die Steuertafel, die Naomi benutzt hatte, verdunkelte sich.
»Drucktüren«, sagte Naomi. »Da kommt man nicht ganz so leicht durch.«
»Aber wir sind auf dieser Seite.«
»Ja.«
»Gibt es keinen anderen Zugang?«, fragte Anna.
»Nein. Lassen Sie uns gehen.«
»Warten Sie«, widersprach Anna. »Wir müssen Sie da reinbringen. Sie sind sehr schwer verletzt.«
Naomi drehte sich zu ihr um und runzelte die Stirn, als bemerkte sie Anna erst jetzt. Der Blick war sehr nachdenklich. Anna hatte das Gefühl, auf Herz und Nieren geprüft zu werden.
»Da drin liegen zwei verletzte Männer. Meine Crew. Sie sind hilflos«, sagte Naomi schließlich. »Jetzt sind sie so gut gesichert, wie es mir nur möglich ist. Deshalb gehen wir zum nächsten Deck, holen uns Waffen und sorgen dafür, dass sie uns folgt. Wenn sie auftaucht, töten wir sie.«
»Ich kann doch nicht …«, stammelte Anna.
»Wir töten sie. Schaffen Sie das?«
»Sie töten? Nein, das kann ich nicht«, antwortete Anna. Es war die reine Wahrheit.
Naomi starrte sie noch einen Moment an, dann deutete sie mit der
Weitere Kostenlose Bücher