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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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geschlechtslose Stimme sagte: »Kernabwurf, Batteriebetrieb.« Die Meldung wurde mehrmals wiederholt. Die Durchsage drang gedämpft durch ihren Helm, offensichtlich wurde das Schiff noch mit Luft versorgt. Sie nahm den Helm ab und hängte ihn an ihr Geschirr.
    Anna war ziemlich sicher, dass man den Kern nur in Notfällen abwarf, die den Maschinenraum betrafen, daher steuerte sie die hintere Luke an. Da das beständige Grollen des Schiffs erstorben war und sie den Helm abgenommen hatte, konnte sie nun auch schwächere Geräusche hören, die durch die Luke drangen. Sie brauchte mehrere endlose Augenblicke, bis sie durchschaut hatte, wie sie den Zugang öffnen musste, und als es ihr endlich gelang, klappte die Luke so schnell auf, dass sie vor Schreck beinahe aufgeschrien hätte.
    Drinnen war Melba gerade dabei, jemanden zu ermorden.
    Sie trug mechanische Arme und hatte eine Gürtlerin mit langen dunklen Haaren und einem schmierigen Overall am Hals gepackt, um ihr die Kehle zu zerquetschen. Die Frau – Anna erkannte sie jetzt als James Holdens Stellvertreterin Naomi Nagata – sah so aus, als hätte Melba sie bereits übel zusammengeschlagen. Ein Arm und die Schulter waren mit Blut bedeckt, das Gesicht voller Kratzer und Prellungen.
    Anna schwebte in den Raum mit den gewölbten Wänden hinein. Die Abschirmung des Reaktors war gekrümmt wie die Decke einer Kirche – eine Kathedrale des Fusionszeitalters. Der Drang, sich zu beeilen, war fast unwiderstehlich, doch ihr war klar, dass sie mit dem Taser nur einen einzigen Versuch hatte, und sie traute sich nicht zu, ihn abzufeuern, während sie sich bewegte.
    Naomis Gesicht lief bereits dunkel an und bekam einen ungesunden purpurnen Farbton. Der Atem ging keuchend und gurgelnd. Irgendwie schaffte es die Gürtlerin, eine Hand zu heben und Melba den Stinkefinger zu zeigen. Annas Füße berührten das Deck, und die Stiefel blieben haften. Sie befand sich weniger als drei Meter hinter Melba, als sie auf den Bereich des Rückens zielte, der nicht vom Skelett des Mechs bedeckt war, und auf den Feuerknopf drückte. Sie hoffte, der Taser konnte den Vakuumanzug durchschlagen.
    Sie traf zwar nicht das Ziel, aber das Ergebnis war dennoch beeindruckend.
    Die beiden Mikropfeile des Tasers hatten sich nicht in Melbas Anzug gebohrt, sondern den Mech getroffen. Die Drähte, die sie hinter sich herzogen, färbten sich sofort hellrot und zerbrachen wie brennender Faden. Der Taser wurde so heiß, dass Anna es durch das Gewebe spüren konnte. Sie ließ ihn los, bevor er den Handschuh zu klebrigem grauem Kleister zerschmolz. Der Mech wand sich, knackte laut und streckte beide Arme aus. Es roch nach verbrannten Stromkabeln. Melba standen die Haare zu Berge, und selbst nachdem der Taser deaktiviert war, zuckten und ruckten ihre Finger und Beine weiter. Ein kleiner Bildschirm auf dem Arm des Mechs zeigte blinkende rote Fehlermeldungen.
    »Wer sind Sie?«, fragte Naomi Nagata. Sie schwebte hilflos im Raum und wäre sofort auf dem Boden zusammengebrochen, wenn auch nur ein Hauch von Schwerkraft existiert hätte.
    »Anna. Ich heiße Anna. Sind Sie verletzt?«
    Nach der dritten Injektion atmete Naomi tief und schaudernd durch. »Wer ist Anna?«
    »Ich bin Anna.« Sie kicherte. »Wollen Sie wissen, wer ich bin? Ich bin mit der Thomas Prince gekommen.«
    »UN? Sie sehen nicht so aus, als gehörten Sie der Raummarine an.«
    »Nein, ich gehöre zu den zivilen Passagieren. Ich bin in der Beratergruppe, die der Generalsekretär geschickt hat.«
    »Ah, das Kaspertheater.« Naomi fauchte vor Schmerzen, als Anna den Verband festzog und die statische Ladung aktivierte, die ihn an Ort und Stelle hielt.
    »So nennen es alle.« Anna betastete den Verband. Sie wünschte, sie hätte im Erste-Hilfe-Kurs in der Kirche besser aufgepasst. Die Wunde säubern, die Blutung stillen, den verletzten Körperteil ruhigstellen. Das war so ziemlich alles, was sie noch wusste.
    »Genau das ist es doch.« Naomi streckte die unverletzte Hand aus, um sich an einer Leiter festzuhalten. »Es ist alles nur politischer Mist …«
    Eine Roboterstimme unterbrach sie: »Neustart beendet.«
    Anna drehte sich um. Melba starrte sie beide an, ihre Haare standen immer noch zu Berge, doch die Hände zuckten nicht mehr unkontrolliert. Sie bewegte versuchsweise die Arme, und der Mech heulte, zögerte und folgte den Bewegungen.
    »Leck mich doch«, sagte Naomi. Es klang gereizt, aber nicht überrascht.
    Anna griff nach dem Taser, dann erinnerte sie

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