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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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dellte sich ein, die Scharniere klapperten und verbogen sich bei jedem neuen Angriff weiter. Anna schloss die Augen.
    Schließlich gab das oberste Scharnier nach und zersprang.
    Ohne Vorwarnung breitete sich eine tiefe Stille aus. Anna wartete, weil sie sicher war, die Frau wollte sie in eine Falle locken. Draußen war kein Laut zu hören, abgesehen von einem leisen animalischen Gurgeln. Sie roch frisches Erbrochenes, es drehte ihr fast den Magen um. Nach einer Spanne, die sich wie Stunden anfühlte, schaltete sie die Magneten ab und stieß die verzogene, verbeulte Tür auf.
    Melba schwebte zusammengerollt an der Wand, die Hände auf den Bauch gepresst und am ganzen Körper zitternd.

29    Bull
    Die Wahrheit war, dass man Entfernungen immer in Zeiteinheiten maß. Normalerweise dachte Bull nicht über solche Dinge nach, aber seine erzwungene körperliche Unbeweglichkeit stellte seltsame Dinge mit seinem Bewusstsein an. Selbst inmitten der vielen dringlichen Probleme, der Anrufe, der Koordination und der Schelte seiner Ärztin fühlte er sich seltsam distanziert. Ihm kamen seltsame Ideen auf eine ähnliche Weise, wie Entfernungen anhand der verstrichenen Zeit gemessen wurden.
    Vor Jahrhunderten hätte eine Reise über den Atlantik Monate gedauert. Es gab einen Ort namens Wheeless in der Gegend von New Mexico, wo angeblich frühere Siedler den Staub und die Steine leid waren und nach dem Zusammenbruch eines Wagens beschlossen hatten, es sei einfacher, sich an Ort und Stelle niederzulassen, als noch weiter vorzustoßen. Neue Technologien waren entstanden, jede hatte auf den vorherigen aufgebaut, und die Monate waren zu Wochen und schließlich zu Stunden geschrumpft. Außerhalb der Schwerkraftsenke, wo die Maschinen von der Tyrannei des Luftwiderstands und der Gravitation befreit waren, spürte man den Effekt sogar noch deutlicher. Wenn die Umlaufbahnen günstig waren, dauerte die Reise von Luna zum Mars manchmal nur zwölf Tage. Der Flug von Saturn bis Ceres währte einige Monate. Da sie da draußen mit ihren Primatenhirnen unterwegs waren, die sich in den Ebenen des prähistorischen Afrika entwickelt hatten, spürte jeder, wie weit dies war. Saturn bis Ceres – ein paar Monate. Luna bis Mars – ein paar Tage. Entfernung war Zeit, und deshalb überwältigte es sie nicht.
    Die langsame Zone hatte das verändert. Auf der Anzeige hockten die Schiffe von Erde und Mars zusammen wie eine Handvoll getrockneter Erbsen in einer Schüssel. Sie schwebten antriebslos, näherten sich einander an und trennten sich wieder, nahmen ihre Plätze in dem Kreis der Gefangenen rings um die gespenstische Station ein. Verglichen mit der Sphäre, die von den Ringen markiert wurde, kauerten sie eng beieinander. Doch die Entfernungen zwischen ihnen und dem Ring wurden in Zeiteinheiten gemessen, und die Zeit war der Tod.
    Vom fernsten Schiff bis zur Behemoth dauerte die Reise mit dem Shuttle zwei Tage, wenn man voraussetzte, dass die Höchstgeschwindigkeit nicht noch weiter gesenkt wurde. Zum nächsten Schiff hätte er springen können. Das menschliche Universum war geschrumpft und schrumpfte weiter. Bei jeder Com-Verbindung, mit jeder überlauten, erschreckten Stimme, die er in den langen, hektischen Stunden hörte, wuchs in Bull die Überzeugung, dass sein Plan funktionieren konnte. Die Weite und Fremdartigkeit und die unverständlichen Gefahren des Universums hatten jeden traumatisiert, den sie nicht getötet hatten. Die Menschen sehnten sich danach, nach Hause zu kommen und sich im Dorf zusammenzukauern. Das war der dem Krieg entgegengesetzte Instinkt, und solange er ihn kultivieren konnte, solange die Reaktion auf die Tragödien und die Sperre darin bestand, einander den Rücken zu stärken und sich um alle zu kümmern, die Hilfe brauchten, schlugen sich Kummer und Angst vielleicht nicht in Form weiterer Gewalttaten nieder.
    Der Feed färbte sich grün, Monica Stuart schenkte dem Publikum ihr professionelles Lächeln. Sie wirkte müde und ernüchtert, aber sie war ein Mensch. Ein Mensch, dessen Gesicht die Zuschauer kannten. Sie erkannten es und fühlten sich geborgen.
    »Meine Damen und Herren«, verkündete sie. »Willkommen zur ersten Sendung von Radio Freie Langsame Zone, die aus unseren Behelfsstudios an Bord des AAP-Schlachtschiffs Behemoth kommt. Ich bin eine Bürgerin der Erde und eine Zivilistin, aber ich hoffe sehr, dass diese Sendungen in Zeiten der Krise allen nützen werden. Abgesehen von den freigegebenen Nachrichten und

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