Abaddons Tor: Roman (German Edition)
unverletzten Hand ein Achselzucken an. »Na gut. Kommen Sie mit.«
Durch die nächste Luke betraten sie das darüberliegende Deck. Der größte Teil des Raums wurde von einer Luftschleuse und Lagerschränken eingenommen. Einige waren groß genug, um Raumanzüge und EVA-Ausrüstungen zu enthalten. Naomi öffnete einen kleineren Schrank und nahm eine dicke schwarze Handfeuerwaffe heraus.
»Ich habe auch noch niemanden erschossen.« Sie zog den Schlitten zurück und lud eine Patrone in den Lauf. Für Anna sah das Geschoss aus wie eine kleine Rakete. »Aber die beiden in der Krankenstation sind meine Familie, und das hier ist mein Heim.«
»Verstehe«, sagte Anna.
»Das ist gut, denn ich möchte nicht, dass Sie …« Naomi brach mitten im Satz ab, verdrehte die Augen und erschlaffte. Die Waffe glitt ihr aus der völlig entspannten Hand.
»Nein, nein, nein!«, rief Anna voller Panik. Sie schwebte zu Naomi hinüber, um ihren Puls zu fühlen. Er war noch tastbar, aber schwach. Sie wühlte im Erste-Hilfe-Paket herum und suchte etwas Passendes. Eine Ampulle behauptete, sie hinderte Verletzte daran, in einen Schockzustand zu geraten. Anna gab Naomi die Injektion, doch die Gürtlerin erwachte nicht.
Die Luft im Raum roch auf einmal anders. Heiß und nach geschmolzenem Plastik wie bei dem beschädigten Taser. Auf der Luke erschien ein roter Fleck, der sich gelb verfärbte, dann weiß. Das Mädchen im Mech-Anzug wollte sie töten.
Die Luke über ihnen, die zu den nächsten Decks führte, war verschlossen, auch dort blinkte die Sperrmeldung. Naomi hatte ihr nicht verraten, mit welchem Code man die Sperre aufheben konnte. Die Luftschleuse befand sich zwar auf dieser Ebene, war jedoch ebenfalls blockiert.
Ruckweise öffnete sich die Luke. Anna hörte Melba keuchen und fluchen, als diese sich gegen das Metall stemmte. Naomis Sperrung hatte die verrückte Frau nicht aufgehalten, sondern lediglich sie selbst eingesperrt.
Anna zog Naomis schlaffen Körper zu einem größeren Lagerschrank für Raumanzüge, schob sie hinein und kletterte hinter ihr ebenfalls in den Spind. Die Tür hatte kein Schloss. Neben dem Anzug und der bewusstlosen Frau blieb kaum noch Platz für sie selbst, und es gelang ihr fast nicht, die Tür zuzuziehen. Schließlich setzte sie die Füße in die Ecke, wo die Tür des Spinds auf den Boden traf, und stellte die Magneten auf volle Kraft. Der Anzug klammerte sich an das Metall, hielt ihre Beine fest und zog gleichzeitig die Schranktür heran.
Auf der anderen Seite kreischte Metall. Etwas Feuchtes streifte über Annas Nacken. Naomis schlaffe, blutige Hand. Anna rührte sich nicht und atmete so leise wie möglich. Das Gebet, das sie lautlos sprach, war kaum mehr als ein verwirrtes, ängstliches und zugleich hoffnungsvolles Stammeln.
Links flog eine Spindtür auf. Dann eine weitere, etwas näher. Noch eine. Anna fragte sich, wo Naomis Waffe war. Sie musste sich irgendwo im Spind befinden, doch dort drinnen war es dunkel, und sie hätte die Magnetklammern der Stiefel lösen müssen, um danach zu suchen. Sie konnte nur hoffen, dass die Waffe nicht draußen bei der verrückten Frau war. Wieder ging eine Schranktür auf.
Die Türfläche, die sich nur Zentimeter vor Annas Gesicht befand, erbebte, öffnete sich aber nicht. Durch die Lüftungsschlitze war die weiße Flamme eines Schneidbrenners zu sehen, dann wurde es dunkel. Eine Roboterstimme sagte: »Reserveenergie erschöpft.« Der Fluch auf der anderen Seite sprach von tiefer Frustration. Darauf folgte ein ausgedehntes Grunzen und Poltern. Melba legte den Mech ab. Anna schöpfte neue Hoffnung.
»Öffne die Tür«, verlangte Melba. Ihre Stimme klang heiser und erinnerte an ein wildes Raubtier.
»Nein.«
»Mach auf!«
»Sie … ich kann hören, dass Sie sehr aufgeregt sind.« Ihre eigenen Worte machten ihr Angst. »Wir sollten vielleicht darüber reden, wenn Sie …«
Melbas Schrei war mit nichts zu vergleichen, was Anna je gehört hatte, es war ein tiefer und böser Laut. Hätte das Es eine Kehle gehabt, so hätte es geklungen. Als spräche der Teufel selbst.
Etwas prallte gegen die Metalltür, und Anna schreckte zurück. Dann folgte ein weiterer Schlag und noch einer. Das Metall gab nach, an den Lüftungsschlitzen blieben Blutstropfen hängen. Die Fäuste, dachte Anna. Sie macht das mit bloßen Fäusten.
Das Kreischen wurde lauter, zwischendurch waren obszöne Flüche zu hören, dann war es wieder unmenschlich wie ein Hurrikan. Die dicke Metalltür
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