Abaddons Tor: Roman (German Edition)
waren zu hören, es stank nach verbrannter Haut. Bull starrte die blau-weiße Decke über dem Bett an, auf das er geschnallt war.
Holden war zurück. Sie hatten ihn nicht umgebracht. Wenn es eines gab, das die zerbrechliche Zusammenarbeit zerstören konnte, die er aufbauen wollte, dann war es ein Streit darüber, wer als Erster einen Bunsenbrenner unter James Holdens Eier halten durfte.
Bull kratzte sich an der Schulter, auch wenn es mehr dem Wunsch diente, etwas zu fühlen, und dachte über die Konsequenzen nach. Theoretisch sahen die Vorschriften vor, dass sie Holden verhörten, einsperrten und mit der Erde über die Auslieferung an diejenigen verhandelten, die wegen der Explosion auf der Seung Un ermittelten. Bull nahm an, dass sie ihn einfach nur blutig prügelten und durch die Luftschleuse stießen. Der Mann war zwar in Haft, aber für zu viele Todesfälle verantwortlich, als dass er auf einem marsianischen Schiff sicher gewesen wäre.
Es war an der Zeit, noch einmal die Rosinante zu rufen. Vielleicht hatten sie dieses Mal eine Antwort für ihn. Seit der Katastrophe hatten sie geschwiegen. Vielleicht war die Kommunikationsanlage beschädigt, vielleicht verhielten sie sich aus taktischen Gründen still, vielleicht lagen sie alle im Sterben oder waren schon tot. Abermals forderte er eine Verbindung an und wartete, ohne sich allzu große Hoffnungen auf eine Antwort zu machen.
Später, wenn sie außerhalb des Rings waren, konnten sich die Juristen streiten, solange sie wollten. Im Moment mussten sie alle zusammenarbeiten. Vielleicht konnte er …
Wider Erwarten wurde die Verbindung zur Rosinante geöffnet. Eine Frau, die Bull nicht kannte, meldete sich. Sie hatte helle Haut, das widerspenstige rote Haar umgab sie wie ein Heiligenschein. Ein Fleck auf der Wange konnte Dreck oder Blut sein.
»Ja«, meldete sich die Frau. »Hallo? Wer ist da? Können Sie uns helfen?«
»Hier ist Carlos Baca«, antwortete Bull. Den Schreck und die Verwirrung schluckte er rasch herunter und ließ sich nichts anmerken. »Ich bin der leitende Sicherheitsoffizier auf der Behemoth . Ja, ich kann Ihnen helfen.«
»Oh, Gott sei Dank«, seufzte die Frau.
»Können Sie mir berichten, wie die Lage bei Ihnen aussieht?«
»Ich heiße Anna Volovodov, und ich habe eine Frau, die versucht hat, die Crew der Rosinante zu töten, in … äh … in Gewahrsam genommen. Ich habe alle Schlafmittel aus dem Notvorrat benutzt, weil ich nicht zur Krankenstation gelange. Außerdem habe ich sie an einen Stuhl geklebt. Es ist möglich, dass sie auch die Seung Un in die Luft gejagt hat.«
»Könnten Sie mir das etwas ausführlicher erzählen?«
Kapitän Jakande war eine ältere Frau mit silbergrauen Haaren und einer durch und durch sachlichen Haltung, die Bull respektierte, auch wenn er sie nicht mochte.
»Bislang habe ich keinen Befehl erhalten, den Gefangenen freizulassen«, sagte Kapitän Jakande. »Wahrscheinlich werde ich auch keinen solchen Befehl erhalten. Deshalb muss es für absehbare Zeit bei meinem Nein bleiben.«
»Ich habe ein Shuttle vorbereitet, das seine Crew und die Frau abholen kann, die er beschuldigt hat, die wahre Attentäterin zu sein«, erklärte Bull. »Wenn ich mich recht entsinne, werden zwei Dutzend Ihrer Leute herüberkommen, sobald wir die Walze in Bewegung gesetzt haben.«
Jakande nickte knapp, weil sie ihn verstanden hatte, ließ sich aber nicht weiter beeindrucken. Bull verflocht die Finger und drückte, bis die Knöchel weiß anliefen, tat dies jedoch wohlweislich außerhalb des Erfassungsbereichs der Kamera.
»Es ist für uns alle besser, wenn wir die Menschen an einem Ort versammeln«, fuhr Bull fort. »Wir müssen die Ressourcen bündeln und die Evakuierung vorbereiten. Wenn Sie keine Shuttles haben, kann ich Transportgelegenheiten für Sie und Ihre Crew stellen. Wir haben hier reichlich Platz.«
»Ich stimme Ihnen zu, dass es besser wäre, alle Kräfte unter einem einzigen Kommando zusammenzufassen«, antwortete Jakande. »Falls Sie mir anbieten, mir die Behemoth zu übergeben, bin ich bereit, die Befehlsgewalt und die Verantwortung zu übernehmen.«
»Das entspricht nicht ganz meinen Intentionen«, gab Bull zurück.
»Das dachte ich mir schon.«
»Mister Baca«, brüllte Ashford vom Eingang herüber. Bull bat mit erhobener Hand um einen Moment Geduld.
»Darüber müssen wir noch einmal reden«, sagte er. »Ich achte Sie und Ihre Position, und ich bin sicher, dass wir eine Lösung finden.«
Ihre Miene
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