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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Worte zerrissen ihr die Kehle, als hätten sie Widerhaken. »Es tut mir so leid!«
    »Ich weiß, Liebes, ich weiß.«
    Sie hatte die Arme um Tillys Hüften gelegt und presste ihr Gesicht in die Seite der Frau, hielt sich an Tilly fest, als könnte dies ihren Untergang verhindern. Als könnte Tilly sie vor dem Ertrinken retten. Die Wächterin sagte etwas, Melba spürte Tillys ablehnendes Kopfschütteln.
    »Ich habe es getan«, gestand sie. »Ich habe ihn getötet. Ich dachte, ich müsste es tun. Ich sagte ihm, er solle die Messwerte lesen, damit er sich vorbeugte, damit er den Hals entblößte, und er hat es getan. Und ich … ich … o Gott, ich muss kotzen.«
    »Primitive Leute kotzen«, widersprach Tilly. »Damen fühlen sich unwohl.«
    Darüber musste sie lachen. Trotz allem musste Clarissa lachen, und dann ließ sie wieder den Kopf sinken und weinte weiter. Ihr Oberkörper tat so weh, als hätte sie eine schlimme Verletzung erlitten. Ein Aneurysma der Aorta, eine Lungenembolie, etwas in dieser Art. Der Kummer konnte doch nicht dieses Gefühl erzeugen, als zerspringe ihr das Herz in der Brust, oder? Das war doch nur eine Phrase.
    Es ging ewig so weiter. Irgendwann wurde sie ruhiger. Ihr Körper war schlaff wie eine Lumpenpuppe. Tillys Bluse war nass vor Tränen, Rotz und Speichel, doch sie war tapfer sitzen geblieben und streichelte immer noch Clarissas Haare. Mit den Fingernägeln fuhr sie an einem Ohr entlang.
    »Du hast auf der Seung Un eine Bombe gelegt«, sagte Tilly, »und James Holden die Schuld in die Schuhe geschoben.«
    Es war keine Frage und keine Anschuldigung. Sie wollte Clarissa nicht zu einem Geständnis bewegen, sondern nur eine Bestätigung hören. Clarissa nickte mit dem Kopf auf Tillys Schoß. Als sie endlich wieder sprach, war sie völlig heiser, und ihr Hals fühlte sich geschwollen und wund an.
    »Er hat Daddy wehgetan. Ich musste etwas unternehmen.«
    Tilly seufzte.
    »Dein Vater ist ein Halunke«, sagte sie, aber weil Tilly dies sagte, tat es nicht weh.
    »Ich muss den Chief verständigen«, schaltete sich die Wächterin verlegen ein. »Ich meine, ich muss ihm sagen, was passiert ist. Er will meinen Bericht hören.«
    »Ich halte Sie nicht davon ab«, antwortete Tilly.
    »Sie müssen mitkommen«, verlangte die Wächterin. »Ich kann Sie nicht mit der Gefangenen allein lassen. Das ist nicht sicher.«
    Panik erwachte in ihr. Sie wollte nicht allein sein. Nicht jetzt. Die konnten sie doch nicht einsperren und allein zurücklassen.
    »Machen Sie sich nicht lächerlich«, erwiderte Tilly. »Tun Sie, was Sie tun müssen, aber ich bleibe hier bei Claire.«
    »Nun ja, das Mädchen hat eine Menge Menschen getötet, Madam.«
    Das Schweigen dauerte nicht lange. Clarissa musste nicht einmal hinschauen, um zu wissen, wie Tillys Miene aussah. Die Wächterin räusperte sich.
    »Ich muss die Zellentür absperren, Madam.«
    »Tun Sie, was nötig ist«, willigte Tilly ein.
    Die Riegel arbeiteten und rasteten krachend ein. Das Schloss sperrte den Zugang. Die Schritte entfernten sich. Clarissa weinte um Ren. Vielleicht würde sie später auch um die anderen weinen. Um die toten Soldaten auf der Seung Un . Um Holdens Geliebte, die sie geschlagen und misshandelt hatte. Um die Männer und Frauen, die gestorben waren, weil sie Holden durch den Ring gefolgt waren. Vielleicht hatte sie später Tränen für sie, aber im Moment ging es nur um Ren, und sie glaubte nicht, dass sie irgendwann wieder mit Weinen aufhören konnte.
    »Ich habe den Tod verdient«, gestand sie. »Ich bin ein sehr böser Mensch geworden.«
    Tilly widersprach nicht, hörte aber auch nicht auf, sie zu wiegen.
    »Es gibt jemanden, mit dem du reden solltest«, sagte sie.

32    Anna
    Zuerst waren die Sicherheitskräfte eingetroffen. Drei Soldaten in einem Shuttle mit Waffen und Fesseln für Melba oder Clarissa, wer sie auch war. Viel später waren medizinische Bergungsteams gefolgt und hatten die Crew der Rosinante mitgenommen.
    Annas eigene Mitfahrgelegenheit kam fast einen Tag später an. Das war kein Versäumnis, denn sie hatte keine hohe Priorität. Wenn sie bedachte, wie alles verlaufen war, konnte sie vermutlich froh sein, keine hohe Priorität zu haben.
    Sie hatte damit gerechnet, auf der Behemoth von Mitarbeitern des Sicherheitsteams oder, falls sie wieder wohlauf waren, von Naomi und den anderen beiden Besatzungsmitgliedern der Rosinante empfangen zu werden.
    Stattdessen stand Hector Cortez in der Shuttlehalle. Er lächelte, als er sie

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