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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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nicht …«
    »Der Teufel ist hier«, fuhr der Prediger fort. Er schüttelte den Kopf, als Anna protestierend die Stirn runzelte. »Ich meine nicht die Dämonen aus den Kinderbüchern. Ich bin kein Narr. Aber der Teufel zeigt sich seit jeher in Menschen, die den Bogen überspannen und immer nur fragen, ob sie etwas tun können, statt zu überlegen, ob sie es überhaupt tun sollten . Wir sind … ich bin in diese Falle getappt. Nicht nur das, wir haben einen feurigen Weg in die Hölle gebahnt. Die Geschichte wird uns das, was wir getan haben, nicht danken.«
    Anna kannte mehrere Angehörige der Kirche der Heiligen der Letzten Tage. In einigen Nebensächlichkeiten stimmten sie mit den Methodisten überein, wie etwa darin, keinen Alkohol zu trinken, was bei interkonfessionellen Tagungen ein Gefühl der Solidarität erzeugte. In wichtigen Dingen, die das Wesen Gottes und seinen Plan für das Universum betrafen, waren sie ganz und gar nicht einer Meinung, was sie aber offenbar weniger störte, als Anna es vermutet hätte. Sie waren fröhliche, familienbewusste und bescheidene Menschen.
    Bevor sie im Bauch der Behemoth stand, hätte Anna nie vermutet, dass die Mormonen ein so gewaltiges Generationenschiff gebaut hatten. Es war riesig und extravagant, beinahe ein aufsässiger Ruf in die Leere des Alls. Das Universum ist zu groß, um mit unserem Schiff in angemessener Zeit durchkreuzt zu werden? Na schön, dann packen wir alle Teile des Universums hinein und fliegen mit einer Geschwindigkeit, die uns genehm ist. Die Innenwände der rotierenden Walze stiegen in der Ferne an, der Corioliseffekt verkleidete sich als Masse. Geriffelte Metallplatten taten so, als wären sie die Erde und warteten auf Mutterboden, Pflanzen und Nutztiere. Durch das Zentrum der Walze, die einen halben Kilometer entfernt war, verlief ein dünner Faden aus hellgelbem Plasma, das auf sie alle herabschien. Die Sonne, zu einem Strich am Himmel gedehnt. Die ganze Idee war überheblich, trotzig und großartig.
    Anna war begeistert.
    Als sie über die weite, leere Ebene aus Stahl wanderte, die eigentlich mit Erde und Pflanzen bedeckt sein sollte, fand sie, genau diese Kühnheit habe die Menschheit in den vergangenen zwei Jahrhunderten verloren. Waren denn die Reisen der alten Meeresforscher auf ihren knarrenden Holzschiffen, um Wege zur Überquerung der großen Meere zu suchen, weniger gefährlich gewesen als das Vorhaben der Mormonen? Waren die Endpunkte der Reisen weniger geheimnisvoll? Sie alle wollten entdecken, was sich jenseits der langen Wegstrecke befand. Sie trieb der Drang, Gestade zu sehen, die niemand je zuvor erblickt hatte. Man zeige einem Menschen eine verschlossene Tür, und er wird wissen wollen, was sich dahinter befindet, ganz egal, wie viele offene Türen es noch gibt.
    Einige betrachteten diesen Antrieb als Schwäche. Ein Fehler der ganzen Menschheit. Die Menschheit sei ein Virus. Ein Wesen, das nie aufhörte, seinen Lebensraum zu erweitern. Hector schien dieser Ansicht zuzuneigen, wenn sie ihr letztes Gespräch richtig einschätzte. Anna hielt nichts davon. Wären die Menschen fähig gewesen, mit dem zufrieden zu sein, was sie hatten, dann würden sie immer noch auf Bäumen hocken und einander die Flöhe aus dem Fell klauben. Anna war auf einem Jupitermond umhergelaufen. Sie hatte durch eine Kuppel zum Himmel geblickt und den Großen Roten Fleck betrachtet – so nahe, dass sie die Wirbel und Ströme in dem Sturm ausmachen konnte, der größer war als ihr Heimatplanet. Das Wasser, das sie dort gekostet hatte, wurde aus Eis gewonnen, das älter war als das ganze Sonnensystem. Die menschliche Unzufriedenheit und Kühnheit hatten sie dorthin gebracht.
    Wenn sie die winzige Welt in der rotierenden Walze betrachtete, dann ahnte sie, dass ihnen dies eines Tages die Sterne schenken würde.
    Das Flüchtlingslager war ein Gewirr von Zelten und Fertigbauten auf der Innenfläche der Walze. Der schmale Strich der Sonne schien auf sie herab, als sei es ein Frühlingsnachmittag auf der Erde. Sie brauchte fast eine halbe Stunde, um Chris Williams’ Zelt zu finden. Die Verbindungsoffizierin der Thomas Prince informierte sie, dass der junge Marineoffizier die Katastrophe zwar überlebt, sich dabei aber schreckliche Verletzungen zugezogen hatte. Anna wollte ihn und mit seiner Hilfe vielleicht auch den Rest der kleinen Gemeinde finden, die sich während des Fluges gebildet hatte.
    Einige Fragen an hilfsbereite Flüchtlinge später hatte sie sein Zelt

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