Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Stellvertreterin, lehnte mit einem breiten Grinsen neben der Tür an der Wand.
»Kommt rein, Jungs.« Vier Marsianer mit militärischem Haarschnitt traten ein. Sie stellten sich auf die Zehenspitzen und sahen sich aufmerksam in dem Raum um. Holden hatte mal jemanden gekannt, der immer auf diese Weise eingetreten war. Bobby. Er wünschte, sie wäre hier. Der Vorgesetzte, der die Gruppe anführte, kam ihm sehr bekannt vor.
»Sergeant Verbinski«, begrüßte Bull den Offizier. »Was für eine Überraschung.«
Ohne Rüstung hatte Holden den Mann nicht gleich erkannt. Er war groß und stark.
»Sir«, sagte Verbinski. »Wie ich hörte, wollen Sie eine Prügelei anfangen, damit wir alle hier rauskommen.«
»Genau«, bestätigte Bull. »Ganz genau.«
»Kommt mir so vor wie ein vertretbares Anliegen«, antwortete Verbinski. »Brauchen Sie vier Kämpfer, die gerade nichts zu tun haben?«
»Und ob.« Bull musste ebenfalls grinsen. »Und ob.«
44 Anna
Sie hatten versagt.
Anna beobachtete die geschäftigen Männer und Frauen in den Büros des Senders, die Rüstungen anlegten, Waffen luden oder Granaten an die Gürtel hängten. Dabei empfand sie nichts als Trauer und Verzweiflung.
An der Universität hatte ihr einmal ein Geschichtsprofessor erklärt: Die Menschen greifen zur Gewalt, wenn ihnen die guten Ideen ausgehen. Gewalt ist attraktiv, weil sie so einfach ist, sie ist direkt und fast immer als Option verfügbar. Wenn Ihnen keine gute Erwiderung auf das Argument eines Gegners einfällt, können Sie ihm immer noch einen Faustschlag ins Gesicht versetzen.
Ihnen waren die Ideen ausgegangen, und jetzt griffen sie nach der einfachen, direkten und immer verfügbaren Option und erschossen alle, die nicht ihrer Ansicht waren. Sie hasste es.
Monica fing von der anderen Seite des Raumes aus ihren Blick ein und hob einladend eine kleine Thermoskanne mit Kaffee. Anna lehnte lächelnd und winkend ab.
»Sind Sie des Wahnsinns?«, fragte Tilly. Sie saß neben Anna hinten im Büro auf dem Boden und versuchte, den anderen aus dem Weg zu gehen. »Die Frau hat den einzigen genießbaren Kaffee auf dem ganzen Schiff.« Sie winkte Monica und deutete dabei auf sich selbst.
»Ich hätte öfter mit Cortez reden sollen«, sagte Anna. »Der AAP-Kapitän mag unerbittlich sein, aber wenn ich genug Zeit gehabt hätte, dann wäre ich vielleicht zu Cortez durchgedrungen.«
»Das Leben ist kurz, meine Liebe, und Cortez ist ein Arschloch. Wir sind alle besser dran, wenn jemand ihm eine Kugel in den Kopf jagt, ehe das alles hier vorbei ist.« Mit dankbarem Lächeln nahm Tilly ein wenig Kaffee von Monica entgegen. Die Reporterin stellte die Thermoskanne weg und setzte sich neben ihnen auf den Boden.
»He, wir …«, setzte sie an, doch Anna achtete nicht auf sie.
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, sagte Anna gereizt zu Tilly. »Cortez ist kein schlechter Mensch. Er hat Angst und ist verunsichert, er hat falsche Entscheidungen getroffen, doch im schlimmsten Fall ist er fehlgeleitet und keineswegs böse.«
»Er verdient Ihr Mitgefühl nicht«, widersprach Tilly. Dann kippte sie den letzten Schluck Kaffee, als sei sie wütend auf das Getränk.
»Wer sind wir …«, setzte Monica noch einmal an.
»Doch, er verdient es«, beharrte Anna. Als sie sah, wie sich die jungen Männer und Frauen auf den Krieg vorbereiteten, wie sie sich direkt vor ihr darauf einstellten, zu töten und getötet zu werden, wurde sie noch wütender auf Tilly, als sie es unter anderen Bedingungen ohnehin geworden wäre. »Das ist der springende Punkt. Sie verdienen alle unser Mitgefühl. Wenn Bull in Bezug auf Ashford recht hat, dann ist der Kapitän verrückt vor Angst und Zorn, weil er gedemütigt wurde und mit ansehen musste, wie seine Crew getötet wurde. Gerade deshalb verdient er aber unser Mitgefühl. Dies hier ist ein schrecklicher Ort. Für Cortez sollten wir Verständnis haben, weil er genau das Gleiche tut wie wir. Er versucht, in einer unmöglichen Situation das Richtige zu tun.«
»Oh«, sagte Monica. »Cortez. Er ist …«
»Das ist doch alles Unsinn, Annie. Gerade am Verhalten, wenn es eng wird, kann man doch die guten von den bösen Jungs unterscheiden.«
»Es geht hier nicht um gute und böse Jungs«, wandte Anna ein. »Wir haben uns natürlich für eine Seite entschieden, weil das, was die anderen vorhaben, auch für uns schlimme Konsequenzen haben wird. Nun versuchen wir, sie davon abzuhalten. Aber Sie dämonisieren sie und betrachten sie als
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