Abaddons Tor: Roman (German Edition)
nicht von sich aus preis.
Von Anfang an war ihr klar gewesen, dass die monatelange Reise zum Ring schwierig werden würde, doch sie hatte sich nicht ausmalen können, wo die größten Schwierigkeiten lagen.
»Sie ist ein verdammtes Miststück, was?«, meinte Stanni. Er und Ren hatten einen privaten Kanal geöffnet. Wäre Melba gewesen, was sie zu sein vorgab, dann hätte sie nichts hören können. »Sie hat von Tuten und Blasen keine Ahnung.«
Ren grunzte nur, verteidigte sie nicht, stimmte den Anschuldigungen aber auch nicht zu.
»Hättest du nicht letzte Woche den falsch eingebauten Unterspannungsschutz auf der Macedon entdeckt, dann hätten wir schon wieder einen Kaskadenfehler bekommen, si no? Es hätte den ganzen Dienstplan auf den Kopf gestellt, wenn wir noch einmal hätten hinfliegen und das Ding in Ordnung bringen müssen.«
»Kann sein«, meinte Ren.
Melba befand sich eine Ebene über ihnen, rings um sie murmelte der Zerstörer Seung Un . Die Crew führte Wartungsarbeiten durch. Planmäßige, vorhersagbare Routinetätigkeiten. Vor zehn Stunden hatten sie mit einem der zehn Transporter, die an der Außenhülle des Wartungsschiffs klebten, die Cerisier verlassen. Sie würden noch einmal fünfzehn Stunden bleiben, die Hochleistungslufttauscher auswechseln und die Belastbarkeit der Luftversorgung überprüfen. Wie sie erfahren hatte, ging von Ventilen, die durch Kondenswasser beschädigt wurden, die größte Gefahr aus.
Solche Details hätte sie eigentlich wissen sollen.
Sie kletterte durch den Wartungsschacht. Das Werkzeug hing ihr beim Schub von einem G schwer am Gürtel. So musste es sich anfühlen, wenn man schwanger war. Falls nicht etwas Außergewöhnliches passiert war, lagen Soledad und Bob wohl noch in den Kojen. Ren und Stanni befanden sich eine Ebene tiefer und arbeiteten sich Stunde um Stunde weiter hinab. Die abschließende Inspektion musste sie selbst durchführen. Anscheinend rechneten ihre Leute nicht damit, dass sie ordentliche Arbeit leistete.
Das entsprach natürlich der Wahrheit. Sie hatte keine Ahnung, warum sie so verlegen reagierte, wenn ein echter Elektrochemiker bemerkte, wie gering ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet waren. Bislang hatte sie lediglich ein paar Handbücher und Anleitungen gelesen. Wichtig war nur, dass man sie für eine typische inkompetente Vorgesetzte hielt. Es war ihr egal, ob ihre Leute sie respektierten. Sie waren ja nicht ihre Freunde.
Eigentlich hätte sie auf Soledads und Bobs private Kanäle umschalten sollen, um sich zu vergewissern, dass die beiden nicht unerwartet aufgewacht waren und sie suchten. Dieser Teil des Plans war besonders wichtig, denn die beiden durften sie keinesfalls entdecken. Es fiel ihr schwer, sich von Ren und Stanni loszureißen.
»Die macht rein gar nichts. Bleibt in der Kabine, hilft nicht bei der Arbeit. Am Ende kommt sie raus, sieht einmal nach hier und einmal nach da, unterschreibt und verdrückt sich wieder.«
»Das ist wahr.«
Die Abzweigung war kaum zu übersehen. Das Schott war verstärkt und in fünf Sprachen mit grellen orangefarbenen Sicherheitswarnungen beschriftet. Sie blieb davor stehen, stemmte die Hände in die Hüften und fragte sich, wo das Triumphgefühl blieb. Natürlich war es da, aber nicht so überwältigend, wie sie es gehofft hatte. Schließlich warf sie einen raschen Blick in den Durchgang, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie hier gestört wurde, verschwindend gering war.
Der Sprengstoff war auf ihren Bauch geschnallt, die Körperwärme hatte dafür gesorgt, dass er plastisch und hellgrün blieb. Sobald sich die Paste auf Raumtemperatur abkühlte, wurde sie hart und grau. Abermals staunte sie über die hohe Dichte. Als sie ihn auf die Nähte der Kupplung presste, hatte sie das Gefühl, mit bloßen Händen Blei zu verformen. Von der Anstrengung taten ihr die Knöchel weh, noch ehe sie die Hälfte geschafft hatte. Sie hatte hierfür eine halbe Stunde angesetzt, brauchte aber beinahe doppelt so lange. Der Zünder war ein schwarzer, vier Millimeter großer Knopf mit zehn schwarzen Keramikkontakten, die sie in die bereits aushärtende Paste drückte. Das Ding sah aus wie eine Zecke.
Als sie fertig war, wischte sie sich die Hände zweimal mit Reinigungstüchern ab und vergewisserte sich, dass weder unter den Fingernägeln noch auf der Kleidung Rückstände des Sprengstoffs hafteten. Ursprünglich hatte sie beabsichtigt, bei ihrer Inspektion nur eine Etage zu überspringen, aber Ren und Stanni waren gut
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