Abaddons Tor: Roman (German Edition)
bin unbewaffnet«, erklärte sie. Als sie grinste, bekam sie Grübchen. Holden überlegte unterdessen, was ein Supermodel von ihm wollte.
»Hallo.« Amos erwiderte das Grinsen.
»Wer sind Sie?« Holden zielte weiter auf sie.
»Ich heiße Adri. Sind Sie James Holden?«
»Wenn Sie wollen, kann ich es auch für Sie sein«, meinte Amos. Sie lächelte. Amos lächelte zurück, doch auch seine Waffe war bereit.
»Was tut sich da unten?«, fragte Naomi mit angespannter Stimme. »Droht Gefahr?«
»Das weiß ich noch nicht«, erwiderte Holden.
»Sie sind es doch, oder? Sie sind James Holden.« Adri kam auf ihn zu. Das Sturmgewehr, das er auf sie richtete, schien sie nicht zu stören. Aus der Nähe roch sie nach Erdbeeren und Vanille. »Kapitän James Holden von der Rosinante? «
»Ja, der bin ich.«
Sie reichte ihm ein kleines Einmalterminal hin, das er automatisch entgegennahm. Das Terminal zeigte sein Bild, seinen Namen und seine Registriernummern als UN-Bürger und als Offizier der UN-Marine.
»Das ist für Sie«, sagte sie. »Tut mir leid. Es war schön, Sie mal kennenzulernen.«
Damit drehte sie sich um und entfernte sich.
»Was, zur Hölle?« Amos ließ die Flinte sinken und kratzte sich wieder am Kopf.
»Jim?«, fragte Naomi.
»Einen Moment noch.«
Er blätterte den amtlichen Text durch und übersprang sieben Seiten mit juristischem Kauderwelsch, bis er das Wesentliche fand: Die Marsianer wollten ihr Schiff zurückhaben. Sowohl auf der Erde als auch vor marsianischen Gerichten wurde die Bergung der Rosinante angegriffen, die entsprechenden Verfahren waren bereits eröffnet. In den offiziellen Dokumenten trug das Schiff den Namen »Tachi«. Ein sofort wirksamer Beschlagnahmebeschluss war bereits ergangen.
»Kapitän?«, fragte Alex. »Die Andockklammern zeigen rotes Licht. Ich schicke eine Anfrage raus. Sobald ich die Klarmeldung habe, können wir abhauen.«
»Was ist hier los?«, fragte Naomi. »Fliegen wir jetzt weg?«
Holden atmete tief ein, seufzte und sagte etwas Obszönes.
Der längste Zwischenstopp der Rosinante , seit Holden und die anderen unabhängig arbeiteten, hatte fünfeinhalb Wochen gedauert. Die zwölf Tage, die die Rosinante nun festlag, kamen ihnen viel länger vor. Naomi und Alex hielten sich die meiste Zeit auf dem Schiff auf und schickten Anfragen an Anwälte und juristische Helfer im ganzen System. Mit jedem Brief und jeder Unterhaltung verstärkte sich der Eindruck, dass der Mars sehr klug vorgegangen war, als er die Verfahren sowohl auf der Erde als auch auf dem Mars eingeleitet hatte. Selbst wenn Holden und die Rosinante von Ceres geflohen wären, hätten sie fortan in keinem größeren Raumhafen mehr anlegen können. Sie wären gezwungen gewesen, zwischen den halb legalen Raumhäfen der Gürtler zu pendeln. Auch dort gab es reichlich Arbeit, aber möglicherweise nicht genügend Vorräte, um das Schiff am Laufen zu halten.
Wenn sie den Fall einem Magistrat vortrugen, war nicht sicher, ob sie sich durchsetzten oder das Schiff verloren, und obendrein wäre es ein teures Unterfangen gewesen. Das Guthaben, das Holden als angenehm groß betrachtet hatte, war auf einmal um ganze Größenordnungen zu klein. Er wurde immer nervöser, je länger er auf Ceres blieb, und wenn er sich auf der Rosinante aufhielt, war er niedergeschlagen.
Bei seinen Reisen auf dem Schiff hatte er sich immer wieder vorgestellt und sogar als Gewissheit hingenommen, dass dies alles einmal tragisch enden würde. Allerdings hatte er dabei immer an Gefechte im Weltraum, außerirdische Ungeheuer oder verzweifelte Sturzflüge in die Atmosphäre eines Planeten gedacht. Es hatte ihm einen kranken Nervenkitzel verschafft, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn Alex oder Amos starben. Oder Naomi. Er hatte sich gefragt, ob die drei ohne ihn weitermachen würden, und nicht im Traum an ein Ende gedacht, bei dem sie völlig wohlauf waren. Damit, dass die Rosinante diejenige war, die sie verließ, hatte er nie gerechnet.
Neue Hoffnung schenkte ihm ein Dokumentarfilm-Team vom öffentlichen Kanal der UN. Monica Stuart, die Leiterin, hatte brünettes Haar und Sommersprossen und besaß eine professionell modellierte Schönheit. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor, als ihr Gesicht in der Pilotenkanzel auf dem Bildschirm auftauchte. Leider konnte sie nicht persönlich vorbeischauen.
»Über wie viele Leute reden wir?«, fragte Holden.
»Vier«, sagte sie. »Zwei Kameramänner, mein Tontechniker und ich.«
Holden rieb sich die
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