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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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fertigst eine Kopie an und ich nehme sie mit nach draußen“, sagte Simon.
    Sein Vater schüttelte den Kopf. „Zu riskant.“
    „Ich weiß, wie“, sagte Simon plötzlich. „Hast du drei Nadeln?“
    Erstaunt blickte sein Vater ihn an. „Wir brauchen ein paar von den Stiften und einen Faden.“
    Der Vater reichte ihm die benötigten Utensilien und Simon schickte sich an, die drei Nadeln mit einem Faden fest zusammenzubinden.
    „Was machst du da?“, fragte sein Vater.
    Simon hielt die Nadeln hoch. „Es hat doch einen Vorteil, wenn man auf dem Pestbuckel in Mannheim aufwächst!“
    Simons Vater verstand nicht.
    „Erinnerst du dich an das Experiment mit den Blitzen?“
    Simons Vater schüttelte den Kopf.
    „Als ich fünf war, hab ich einen Metalldrachen erfunden, mit dem man Blitze anlocken kann, um ihre Energie in Batterien zu speichern. Weil ich kein Papier hatte, hab ich mir den Plan auf den Bauch gemalt.“
    „Und?“
    „Du erinnerst dich wirklich nicht ...“
    „Ehrlich gesagt, nein.“
    „Und Mama hat mir die Zeichnung dann in der Wanne wieder abgeschrubbt.“
    Simon nahm eine der Kugelschreiberminen und brach sie entzwei. „Das wird uns diesmal nicht passieren.“
    Simon tunkte die Spitzen der drei zusammengebundenen Nadeln in die Tinte und gab sie seinem Vater.
    „Los!“
    „Ich soll dich tätowieren?“ Entsetzt schaute er Simon an.
    „Ja, und zwar auf meinen Schädel. Da wachsen die Haare drüber.“
    Simon sah, wie der Morgen seine langen rötlichen Finger durch das Fenster in die Zelle streckte, und hörte aus der Ferne einen Vogel zwitschern.
    „Wir haben nicht mehr viel Zeit! Du kannst die Blätter vernichten und niemand wird erraten, was das für eine Tätowierung ist. Das perfekte Versteck. Der perfekte Plan!“
    Simon setzte sich auf die untere Pritsche, sein Vater rückte den einzigen Stuhl in der Zelle daneben und nahm Platz. Das Blatt mit der Formel und der Zeichnung auf dem Schoß, tauchte er die Nadel in die Tinte und begann zögernd, seinen Sohn zu tätowieren.
    Stich für Stich stach er in Simons Haut und folgte dabei der Zeichnung, die er in der Nacht vollendet hatte.
    Als das schwarze Bild auf Simons Hinterkopf fast fertig war, kündete der Krach auf dem Flur vom Anbruch des neuen Tages. Sie hörten, wie die Zellen aufgeschlossen wurden.
    Simon kroch wieder unter die Pritsche und duckte sich an die Wand. Als der Schließer wieder fort war, holte Simons Vater Frühstück und sie teilten sich die beiden Brote. Dann machte sich sein Vater daran, die restliche Zeichnung auf Simons Schädel zu tätowieren. Es war schon Nachmittag, als er seine Arbeit endlich beendet hatte.
    Simons Kopfhaut blutete und brannte. Aber das war ihm gleichgültig. Er  spürte den Schmerz nicht. Als er aufstand, fühlte Simon sich seinem Vater so nah wie nie. Am liebsten wäre er bei ihm geblieben. Sein Vater tupfte das Blut mit einem Taschentuch ab.
    Dann war der Moment des Abschieds gekommen. Die Zellentür wurde aufgeschlossen. Es war Umschluss – die Zeit, in der die Zellentüren geöffnet wurden und die Häftlinge sich gegenseitig besuchen konnten. Simon spürte, wie Angst in ihm aufstieg und nach seiner Kehle griff, sein Mund trocken wurde und er sich am liebsten für immer unter der Pritsche verkrochen hätte. Aber dann war die Angst auch schon wieder verflogen.
    Sein Vater lächelte Simon an.
    „Ich danke dir, Simon, für deinen Mut. Ich bin stolz auf dich!“
    Kurz vor der Tür hielt Simon noch einmal inne. „Ich hab noch zwei Päckchen mit Drogen. Von Mumbala. Wenn Sie mich finden und ich hab die dabei ...“
    Entsetzt schaut sein Vater Simon an. „Was für Drogen?“
    „Ich weiß nicht. Hab keine Ahnung, was drin ist.“ Simon legte die Päckchen auf den Tisch.
    Sein Vater prüfte eines davon mit den Fingern, dann nahm er sein Taschenmesser und stach hinein. Es staubte ein wenig. Simon musste niesen.
    „Mit so was kenn ich mich nicht aus“, sagte Simons Vater und roch daran. „Mir wird schon von Alkohol schlecht. Aber hier drinnen ist es pures Gold, die werden mir das Zeug aus den Fingern reißen …“
    Simon war froh, dass er die Päckchen endlich los war.
    „Du musst jetzt gehen, sonst kommst du nicht mehr auf den Hof.“
    Für einen Augenblick schauten sich die beiden an.
    „Mach’s gut! Du wirst es schaffen, Simon.“
    Simon nickte. „Ich hab dich lieb ... Papa.“ Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so gefühlt, geschweige denn diese Worte ausgesprochen

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