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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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einmal.
    Das Pochen war ihm egal.
    Simon rannte weiter.
    Sein Plan hatte funktioniert!
    Er schrie: „Yeah!“
    Die Leute drehten sich nach ihm um.
    „Yeeeeeeaaaah!“, brüllte er noch einmal.
    [ 1303 ]
    „M.O.T. Nanos“. Dezent war der Schriftzug an dem Gebäude angebracht. Linus stand vor dem Eingang und sammelte sich.
    Er hatte sechs Stunden Fahrt hinter sich und jede Schwierigkeit gemeistert. Strategisch kühl hatte er gehandelt. Er hatte sich einen Altmännerhut gekauft und aufgesetzt, hatte jede Vorschrift beachtet, hatte beim Tanken bar bezahlt und auf Nachfrage des Pächters, ob er schon 18 sei, gelacht und den Kopf geschüttelt.
    „Nee“, hatte er gesagt und auf den Mann in seinem Wagen gedeutet. „Aber mein Alter ist schon über 18.“ Der Pächter wünschte ihm gute Fahrt. Linus wartete, bis er andere Kunden bediente, dann schob er Chuck Norris vom Fahrersitz, nahm ihm den Hut vom Pappschädel und brauste weiter.
    Auf Google Maps hatte sich Linus die Adresse des Konzerns herausgesucht und die Routenbeschreibung ausgedruckt. Als er beim Fahren immer wieder einen Blick darauf werfen musste, hatte er bedauert, dass sein Navi im U-Bahn-Tunnel zertrümmert worden war.
    Jetzt war er da. In der Höhle des Löwen. In wenigen Minuten würde er dem Mann gegenüberstehen, der hinter dem Verschwinden seiner Eltern steckte. Mit einem kurzen Telefonat hatte sich Linus versichert, dass Ono anwesend war. Auf der Fahrt hatte er die Begegnung immer wieder durchgespielt. Er war zu dem Schluss gekommen, dass er nicht um den heißen Brei herumreden würde, wenn er Ono erst gegenüberstand. Kurz hinter Braunschweig, als er zum Pinkeln auf einen Parkplatz eingebogen war, hatte er daran gedacht, sich nochmals an Olsens Geräte anzuschließen. Beim ersten Mal hatte er ja nur den Mittelwert eingestellt. Vielleicht musste er für die bevorstehende Konfrontation die Frequenz erhöhen. Aber dann kamen ihm die Bilder aus dem Film über die Experimente der CIA in den Sinn und er begrub die Idee wieder. Er legte sich auf den Rücksitz, um ein wenig zu schlafen. Es war sicher gut, ausgeruht zu sein. Als er aus dem Schlaf aufschreckte, war er schweißgebadet. Grell strahlten ihm die Lichter eines Lkws ins Gesicht. Linus rang nach Luft. Er musste raus aus dem Wagen. Wankte. Spürte einen Schwindel in seinem Kopf. War das alles nur der schreckliche Traum, den er gehabt hatte? Seine Hände zitterten. Linus brauchte Zeit, um wieder zu sich zu kommen. Er brachte die Bilder des Traumes nicht mehr aus seinem Kopf und vor allem nicht die Trauer. Diese abgrundtiefe Trauer ... Linus griff nach seinem I-Phone. Er musste reden. Er musste sagen, was er geträumt hatte. Es war Edda, der er es sagen musste. Jetzt.
    [ 1304 ]
    Eddas Handy klingelte. Sie hörte es nicht. Der Diesel des Lkws brummte zu laut. Und Edda war durch das eintönige Dröhnen müde geworden und auf dem Beifahrersitz eingeschlafen.
    [ 1305 ]
    Linus hörte nur Eddas Ansage, dass man eine Nachricht hinterlassen solle. Er rang mit sich, legte auf. Rief noch einmal an und sprach auf die Mailbox.
    „Hi ... Edda. Linus. Ich ... ich wollte mit dir reden.“ Linus versuchte, seine Erregung unter Kontrolle zu halten. Er berichtete ihr, dass er gerade einen Traum gehabt habe. Von ihr, von Edda. Sie waren zusammen auf einer schwarzen Bühne aufgetreten. Im gleißenden Licht von riesigen Scheinwerfern. Eddas Gesicht war weiß. Sie trug einen Frack und einen Zylinder wie ein Zauberer. Und Linus hing an Fäden, die von seinem Kopf bis in den Himmel reichten, als wären es seine unendlich langen Haare. Doch die wurden von einer blutroten Kappe verdeckt. Oder war es Blut? Ja, es war Blut. In diesem Moment war er sich sicher. Hastig erzählte er weiter. Edda näherte sich ihm auf der Bühne in merkwürdig stockenden Schritten, redete in einer fremden Sprache mit ihm. „No tabanota ba, no tabanota ba ...“ Sie kam auf Linus zu. Immer wieder sprach sie die fremden Worte. Und dann kappte sie mit einer Handbewegung die Fäden, an denen Linus hing, und ließ ihn einfach verschwinden.
    Linus verstummte am Telefon. Dieser Traum hatte ihn furchtbar aufgewühlt. Weil er sich so verloren fühlte. So unendlich allein. Im Traum konnte er nichts mehr fühlen. Nichts sehen, nichts hören. Er war wie tot. Nein. Er war tot. In diesem Moment war ihm klar, wie es war zu sterben.
    Während er Edda von dem Traum erzählte, überkam Linus wieder diese schmerzende Traurigkeit, wie in dem Moment, als er aus dem

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