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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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Alles, was eure Eltern uns haben zukommen lassen. Was sie für wichtig hielten. Von der Blutgruppe über Allergien, Unverträglichkeiten beim Essen bis zu Schlafgewohnheiten. Wir kennen sogar die heimlichen Vorlieben von einigen ...“
    Linus war irritiert von ihrer Offenheit.
    „Meine Eltern sind verschwunden“, sagte er.
    „Ich weiß. Das tut mir leid. Aber mir scheint, dass du gute Pflegeeltern hast, und sie haben bestimmt nichts Falsches über dich gesagt. Sie meinen es sehr gut mit dir.“ Sie stand auf, lächelte, beugte sich zu Linus hinab und strich ihm übers Haar. Er roch ihr Parfüm.
    „Du bist ein tapferer Junge.“ Sie rückte sein Namensschild zurecht, setzte ihm einen Kuss auf die Wange und wandte sich zum Gehen. Am Ausgang des Zeltes drehte sie sich um, lächelte abermals und verschwand.
    Simon, der beobachtete, wie die Campleiterin aus ihrem Zelt kam, wartete, bis die Nacht sie verschluckt hatte, ehe er das Zelt betrat. Linus hockte auf Eddas Bett und rührte sich nicht.
    „Alles paletti?“
    Linus nickte.
    „Ehrlich?“
    Linus nickte.
    „Gibt’s Probleme mit der?“
    Linus schüttelte den Kopf. Und das meinte er ernst. Keine Probleme. Offenbar sah er wegen seiner am nächsten Tag anstehenden Mission überall Gefahren. Wenn er nicht scheitern wollte, musste er cooler werden. Viel cooler. Und er musste logisch denken.
    Linus legte sich hin und kaum hatte er die Augen zugemacht, schlief er auch schon tief und fest. Wie alle Jugendlichen im Lager.
    [ 1169 ]
    Die Membranen der Lautsprecher im Camp vibrierten auch in dieser Nacht lautlos bis zum Morgengrauen. Doch bei gene-sys kehrte in dieser Nacht weltweit keine Ruhe ein. In der Zentrale in Berlin und den Filialen in Boston, Melbourne, Moskau und São Paulo wurde eine Telefonkonferenz abgehalten, an der natürlich auch die Campleiterin teilnahm. Die Frage, die alle bewegte und die Wissenschaftler auf Englisch durcheinanderreden ließ, lautete: Was hatte das Level 17 verursacht und damit die Kritische Masse entstehen lassen?
    Welcher der drei Jugendlichen verursachte diesen Wert? Welchen Faktor hatten die Wissenschaftler bei ihren Berechnungen, die ein Level von 15 als maximalen Wert errechnet hatten, außer Acht gelassen? Was war die unbekannte Größe, die Level 17 ausgelöst hatte?
    Der Mann aus Boston wollte wissen, ob der Campleiterin etwas an den Kindern aufgefallen sei. Sie beschrieb Edda, Simon und Linus und erklärte, dass jedes der Kinder auf der Skala lediglich Level 6 oder 7 erreicht hätte. Natürlich waren ihr ein paar Charaktereigenschaften aufgefallen, aber nichts, was eine 17 erklären konnte. Es war ihr unangenehm, dass sie keine Erklärung liefern konnte. Aber das konnte niemand in der illustren Runde.
    Um nicht ganz hilflos zu wirken, erläuterte die Campleiterin in das weltweit ratlose Schweigen, welche Ergebnisse sich aus den Diskussionsbeiträgen der übrigen Jugendlichen ergeben hätten und welche Ideen sie ihnen am letzten Abend eingeben würden. Ideen, die die Kinder nie mehr loslassen, sondern die zu ihrer Passion werden würden. Die sie von nun an ihr ganzes Leben lang beschäftigen würden.
    Die Campleiterin erwähnte die Idee einer geldlosen Gesellschaft, den Vegetarismus. Das Konzept einer Welt, in der ausschließlich recycelte Waren hergestellt wurden. Die Vorstellungen von einer neuen Ökonomie und die Frage der Ethik im Fall des Klonens von Menschen mit positiven tierischen Eigenschaften. Im Abstand von drei Jahren würde man die Entwicklung, die diese Eingaben in den Gehirnen der Jugendlichen nehmen würden, den Stand ihrer Gedanken, neu evaluieren. Dazu würde man sich ihre Beiträge in den üblichen sozialen Netzwerken, ihr Surf- und Klickverhalten ansehen und dann die Auswertung der Suchanfragen verfolgen und im Erfolgsfall abschöpfen. Unter den Jugendlichen schienen sich einige sehr aussichtsreiche Träger zu befinden.
    „Ja, ja“, klang es genervt aus São Paulo. „Wir kennen das System, Frau Kollegin. Wir haben es mit entwickelt! Die Frage ist, was wir mit Edda, Simon und Linus machen!“
    Für einen Augenblick schwiegen die Wissenschaftler. Dann erhob sich wieder eine aufgeregte Diskussion. In das wissenschaftliche Tohuwabohu meldete sich plötzlich die ruhige Stimme einer Frau. Gemäß der Anzeige der Computerbildschirme meldete sich die Teilnehmerin aus der Zentrale in Berlin zu Wort. Sie klang älter als die anderen und sie sagte mit freundlicher, aber entschiedener Stimme, was die anderen

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