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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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wurden abgelenkt von einer Kindergartengruppe. Mindestens dreißig Kinder, vor allem schwarze, kamen johlend zum Spielplatz gelaufen. Ausgelassen tobten sie herum, rutschten, schaukelten und versuchten einen Schneemann zu bauen. Edda, Linus und Simon schauten ihnen zu. Jeder hing seinen Gedanken, seinen Erinnerungen nach. Keine zehn Jahre war es her, da waren sie genauso unbeschwert durch ihre Welt gekugelt. Edda war plötzlich wieder mit Marie am Strand und suchte nach den Blitzen des vergangenen Gewitters, die nun im Sand zu filigranen Stäben aus Glas geworden waren. Linus genoss das Glück auf dem Bauernhof seiner Großeltern in der Eifel und Simon tauchte mit David im sommerlichen See Fröschen und Fischen hinterher.
    David! Natürlich. Wie hatte Simon das vergessen können? Sein kleiner Bruder David hatte den Namen des Großvaters erhalten. Der Vater seines Vaters. Den Simon immer bewundert hatte, weil er so viele Vornamen gehabt hatte. David Hans Friedrich Gustav Robert Melchior. Simon erinnerte sich plötzlich an den Besuch der Großeltern in Mannheim, als der Großvater ihm jeden der Vornamen erklärt hatte. „Träger des Lichts“ war die Bedeutung für Melchior gewesen. „Träger des Lichts“. Was hatte sein Vater damit gemeint? Wer war der Träger des Lichts? Simon? Oder hatte sein Vater nur an seinen eigenen Vater gedacht?
    „Linus!“ Eddas Stimme holte Simon wieder in den Park zurück, in den Schnee. „Linus!“
    Edda war entsetzt losgerannt. Linus hatte sich von den Freunden entfernt und Simon sah, wie er auf den Schneemann, den die Kinder fast fertig aufgebaut hatten, zustürmte und ihn zerstörte.
    „Tot! Tot“, rief Linus. Wild schlug er den Kopf ab, trampelte darauf rum. „Du bist tot! Tot!“
    Die Kinder weinten. Erschrockene Erzieherinnen sammelten die Kleinen ein und stellten sich schützend vor sie. Edda und Simon hatten Linus inzwischen erreicht und redeten auf ihn ein wie hilflose Eltern. Es half nichts. Halb von Sinnen schlug Linus um sich.
    „Du bist tot. Du bist tot!“ Er prügelte auf Bauch und Beine und Arme des armen Schneemanns ein, bis beide erschöpft zusammensanken. Langsam kam Linus zur Ruhe. Fassungslos betrachtete er die Reste des Schneemanns und die verängstigten Gesichter der Kinder. Alles war still. Die Kinder, die Betreuerinnen, Edda und Simon schauten Linus an wie ein seltenes Tier.
    Linus spürte die Blicke auf sich. Fing an, den Schnee wieder zusammenzuschieben. Auf einen Haufen, bis er eine erste kleine Kugel gebildet hatte. Einer der kleinen Jungs fing an, ihm zu helfen. Ganz selbstverständlich. Linus schlug die Hände vor das Gesicht, verharrte einen Augenblick. Dann setzte er die Reste des Schneemanns, die ihm der Junge reichte, auf den Rumpf und oben drauf pflanzte er den demolierten Schädel, in dem ein Auge und die Nase fehlten. Fast schien es, als hätte er Olsen porträtieren wollen.
    „Tut mir leid“, entschuldigte sich Linus, ohne den Jungen anzusehen und ging zurück zu der Bank, wo sie gesessen hatten. Edda und Simon folgten ihm. Setzten sich neben ihn. Ließen ihm Zeit. Es dauerte, bis die Kinder wieder anfingen zu spielen. Erst als Linus das Geschrei der Kinder wieder vernahm, schaute er auf.
    „Ich habe ihn umgebracht.“ Linus schaute Edda an. „Ich hab Clint getötet. Ich war das.“
    Als Olsen endlich zurückkam, war Edda komplett durchgefroren. Linus hatte ihr die ganze Geschichte erzählt. Sie hatte Mitleid mit ihm und doch spürte sie die Distanz, die Linus’ Geständnis zwischen sie gebracht hatte. Edda war klar, dass sie es war, dass diese Distanz von ihr ausging. Sie hatte in Linus’ Augen die Bitte um Verständnis, um Vergebung gesehen. Aber wie sollte sie verstehen und vergeben?
    Olsen sah sich um, als prüfe er, ob die Luft rein sei. Dann zog er aus der Tasche eine Aldi-Plastiktüte und ließ Simon hineinschauen.
    „Ist es das?“
    Simon nickte. In der Tüte war das graue Pulver, das er von Mumbala kannte.
    „Woher haben Sie das?“
    Olsen deutete Richtung Osten. „Hier gibt es genügend Leute, die das Zeug einsetzen. Ist eine südamerikanische Pflanze, gemischt mit einer afrikanischen. In Lateinamerika nennen sie das Zeug den ‚ Atem des Teufels ‘ . Sie benutzen es, um Menschen willenlos zu machen.“
    „Woher wissen Sie das?“
    Olsen überlegte. Er musste sich die Frage selbst stellen. Woher wusste er das eigentlich? Er fand keine Antwort. Was er wusste, war, dass die alte Frau aus Kolumbien, die ihm das Pulver

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