Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
verkauft hatte, ihn gewarnt hatte, zu viel davon zu nehmen. Nur ein paar Krümel. Die reichen, um das ganze Leben vor sich ausgebreitet zu sehen, hatte sie gesagt. Wie am Jüngsten Tag.
„Kommt“, sagte Olsen zu den Kindern und ging voraus. „Ich hab eine Idee.“
Nichts hatte sich in Clints Apartment verändert. Nur zögernd betrat Linus den Raum. Er fühlte sich unwohl hier. Da war der Stuhl, auf dem er gefesselt war. Da war das Aquarium, die Kochnische.
„Linus!“ Olsen winkte ihn zu sich.
„War die Polizei nie hier?“, fragte er so leise, dass Edda es nicht hören konnte. Olsen schüttelte den Kopf. Clint war mit Sicherheit nicht hier gemeldet gewesen. Olsen hatte seinen Computer aufgebaut, die Haube mit den vielen Drähten hingelegt.
„Was haben Sie vor?“
„Ich will testen, ob ich diese Droge aus dem Körper wieder ausführen kann.“
„Damit?“
Olsen nickte. Er hatte sich ausführlich mit Frequenzen beschäftigt. Hatte mit Physikern gesprochen. Mit Spinnern. Mit Heilpraktikern. Allen hatte er den Computer, das Programm und das Zubehör gezeigt, um zu verstehen, was er da wirklich in den Händen hatte. Wie es schien, konnte er damit Einfluss auf jede Hirnfunktion nehmen.
„Und wie?“, wollte Edda wissen.
„Über Frequenzen“, erklärte Olsen. Er hatte sich von Spezialisten der Charité erklären lassen, dass es vorstellbar sei, verschiedene Hirnareale mit verschiedenen Frequenzen zu beeinflussen. „Wenn dieses Pulver also auf das Hirn wirkt, wie bei Simons Vater, dann muss es eine Frequenz geben, die diese Wirkung wieder auflöst.“
„Wer soll das Zeug nehmen?“, fragte Edda.
„Ich“, sagte Olsen. Er setzte sich die Haube auf den Kopf. Dann wies er Linus ein, wie er den Computer zu bedienen hatte, sobald Olsen unnatürliche Reaktionen und Symptome zeigen würde. Er nahm seine Mütze ab und setzte die Haube auf. Zum ersten Mal sahen Edda und Simon den deformierten Schädel. Sie musste sich bemühen, nicht daraufzustarren. Olsen verdrahtete die Haube mit der Frequenzbox und dem Computer. Dann schaltete er alle Geräte ein. Kurz darauf erschein auf dem Bildschirm das Abbild seines Hirns. Schattierungen zeigten, welche Areale gerade aktiv waren. Eine Skala am Rand des Bildschirms gab an, mit welcher Frequenz diese Areale arbeiteten.
„Das ist der Normalzustand“, erklärte Olsen Linus. „Wenn sich etwas verändert, klickst du auf das betroffene Areal und pegelst über diesen Regler die Normalfrequenz wieder ein. Aber erst, wenn du den Warnton hörst. Nicht früher, verstanden?“
„Alles klar!“
Gebannt schauten die Kinder auf Olsen. Wie auf einem elektrischen Stuhl, dachte Simon. Olsen zündete sich die Zigarette an und inhalierte. Die Blicke der Kinder wanderten von Olsen zu dem Monitor, der sein Gehirn zeigte. Noch war keine Veränderung zu erkennen. Noch wartete Olsen darauf, auf sein gelebtes Leben schauen zu können. Ruhig zog er ein weiteres Mal an seiner Zigarette und behielt den Rauch in seinem Körper. Zehn Sekunden; so wie es ihm die Frau aus Kolumbien empfohlen hatte.
Edda bemerkte es als Erste. Es war, als verlöre Olsens Körper alle Farbe. Als wäre irgendwo an seinen Fü ß en ein Hahn aufgedreht worden, durch den alles Blut aus dem Körper lief. Edda schaute zu Linus und Simon, die gebannt auf den Monitor sahen. Es war nicht nur ein Areal, das immer aktiver wurde. Es war das gesamte Gehirn, das nun arbeitete. Der Pegel, der die Frequenzen anzeigte, stieg. Edda schaute zurück zu Olsen. Er saß da wie tot. Starr. Doch er lebte. Atmete. Edda nahm es wahr, weil sie besorgt näher ging. Sie sah die Tränen, die sich in Olsens Augen bildeten.
„Was erlebt er?“, flüsterte sie.
Die Jungs sahen abwechselnd zu ihr, zu Olsen.
„Er hat Angst“, sagte Edda. Sie konnte es an Olsens Augen sehen. Der Frequenzpegel stieg immer schneller.
„Wann kommt der Ton?“, fragte Simon besorgt.
Linus zuckte mit den Schultern. Olsens Haut wirkte langsam wächsern. Schweiß trat aus jeder Pore. Noch atmete er. Doch nur noch stoßweise. Keine Regelmäßigkeit mehr.
„Mach Schluss!“, sagte Edda.
„Er hat gesagt ...“
„Scheiß drauf, was er gesagt hat.“ Edda fühlte den Puls von Olsen. Er raste. „Der stirbt. Linus! Der stirbt!“
Linus schaute zu Simon.
„Sie hat recht“, sagte Simon.
Olsens Augen wurden rot. Plötzlich lief Blut aus seiner Nase.
„Schalt ab!“, schrie Edda. Im selben Moment erschallte das Signal. Und Linus klickte die Areale durch und
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