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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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war, hatte sie auf gar nichts anderes als auf ein Verbrechen schließen können. Mafia, dachte sie. Mafia, hier, in dieser harmlosen Gegend?
    Elisabeth lief los, hinauf zur Straße, und holte den alten grünen Kombi, fuhr nah ans Ufer und legte den Fremden auf die Rückbank zu Herrn Wehner. Sabbernd beschnupperte der Boxermischling den reglosen Mann. Elisabeth fuhr los, nach Hause. Dort hatte sie alles vorrätig, was sie zur Versorgung des Mannes brauchen würde. Herr Wehner wachte ausnahmsweise auf dem Beifahrersitz. Elisabeth sah aus den Augenwinkeln, wie er nach hinten schaute und seine wichtige Miene aufsetzte. Herr Wehner hatte wirklich was von seinem Namensgeber; nur die schiefe Brille und die Pfeife fehlten. Elisabeth hatte den Politiker 1982 kennengelernt. Als sie sich entschloss, in die SPD einzutreten und ehrenamtlich für die Abgeordneten der Partei im » Langen Eugen « in Bonn zu arbeiten. Zwölf Stunden die Woche. Wählerpost erledigen, Matrizen fertigen, Reden abschreiben und archivieren. Im Gegensatz zu vielen anderen mochte sie » Onkel Herbert « . Er war es, der Willy Brandt den Rücken freigehalten hatte, damit dieser glänzen konnte. Wehner hatte Elisabeths politische Haltung geprägt; über seinen Tod hinaus. Bis in die Jahre der Wende, bis zum Umzug des Bundestags nach Berlin. Elisabeth war nicht mitgegangen. Paul, ihr Mann, hatte gerade den Direktoren-Posten am Gymnasium in Bad Wildungen bekommen. Und Jette war unausstehlich pubertär. Keine einfache Zeit. Und dennoch. In dieser Zeit hatte das Glück Elisabeth ganz nah an sich herankommen lassen.
    Inzwischen machte Elisabeth Seniorenturnen in den umliegenden Altenheimen. Von der Zentrale der Macht zum geriatrischen Auf und Ab der welken Körper. Walzer im Rollstuhl und Beckenübungen gegen Inkontinenz.
    „Water. Please.“
    Die Stimme des Fremden klang rau und dennoch warm. Elisabeth sah in die rot unterlaufenen Augen, die sie anschauten, als suchten sie in ihrem Gesicht einen Punkt, der ihnen vertraut vorkam. Elisabeth war geübt genug im Umgang mit Traumatisierten und Schwerkranken, um zu wissen, dass sie gegen alles und jeden erst einmal schrecklich misstrauisch waren. Schweigend brachte sie dem Mann ein Glas Wasser. Sie spürte, dass er noch nicht die Kraft gehabt hätte, es selber zu halten. Also hockte sie sich neben ihn, half ihm sich aufzurichten und setzte das Glas an seine Lippen. Sie musste ihn bremsen, nicht zu hastig zu trinken. Erschöpft sank der Mann wieder zurück auf das Sofa.
    Die Erschöpfung des Mannes erinnerte Elisabeth an ein altes Gemälde in der Kirche, das Jesus nach der Abnahme vom Kreuz zeigte. Herr Wehner, der neben sie auf das Sofa sprang, riss sie aus ihren Gedanken. Elisabeth hatte die Tür offen stehen lassen. Herr Wehner schnupperte an dem Fremden. Elisabeth wollte den Hund vertreiben. Der Mann aber öffnet die Augen, spürte das Fell mit seinen Händen.
    „Timber ...“
    Elisabeth rührte es, wie ein Lächeln über das hagere Gesicht des Mannes huschte, der sich an nichts erinnern konnte. An nichts. Nicht einmal daran, dass sein Name Olsen war.

| 2111 |
    Es war schon hell, als jemand heftig auf das Dach von Olsens Wagen klopfte. Ein dicker Imbissbesitzer, der seinen Stand aufsperren wollte, schrie und schimpfte was von „kilometerweit den Arsch offen“. Müde, bleich und wortlos wie ein Zombie klappte Linus den Sitz nach vorn und drehte den Schlüssel im Schloss. Das Radio ging an. Simon und Edda hoben kaum den Kopf, während der Wagen sich in Bewegung setzte und Linus ihn in den Verkehr einfädelte, der allmählich begann, die breiten Stra ß en zu füllen.
    Durch den Rückspiegel warf Linus einen Blick auf Edda, die zusammengerollt auf der Rückbank lag und schlief. Neben ihm auf dem Beifahrersitz starrte Simon aus kleinen roten Augen auf die Straße. Kaum war der Schlaf verflogen, musste Linus wieder daran denken, dass Edda eigentlich gar nicht im Camp hätte sein sollen und dass er derjenige gewesen war, den GENE-SYS aussortiert hatte. Er dachte an das Verhalten seiner Eltern, die die Manipulation seiner Hirnfrequenzen zugelassen hatten. Die Vorstellung kränkte und verletzte ihn. Was waren das für Eltern? Sie hatten ihn verraten an GENE-SYS . Linus spürte eine Wut in sich, von der er nicht wusste, wie er sie in den Griff kriegen konnte. Eigentlich gab es nur einen Weg: Er musste GENE-SYS angreifen und sich rächen. Oder er musste einen anderen Weg finden, um den Machenschaften des Konzerns ein

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